In Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur haben sich diese Woche die
Handelsminister der südostasiatischen Allianz
ASEAN
getroffen. Mit von der Partie waren auch Vertreter Indiens, Japans,
Chinas und Südkoreas. Auf der Tagesordnung standen vor allem
Gespräche
über verschiedene Freihandelsabkommen. Der
ASEAN
gehören Indonesien, Singapur, Malaysia, Thailand, Myanmar (Burma),
Laos, Kambodscha, Vietnam, die Philippinen und Brunei an. Bevor sich
die
ASEAN-Minister mit ihren Kollegen aus
den Nachbarländern trafen, hatten sie sich auf eine beschleunigte
ökonomische Integration der Gemeinschaft geeinigt. Schon im
Jahre 2015
solle ein gemeinsamer Markt nach dem Vorbild der Europäischen
Union
geschaffen sein, heißt es in einer am Dienstag verabschiedeten
Erklärung. Unternehmerkreise in der Region reagierten auf die
Ankündigung allerdings eher skeptisch. Es fehle bisher an einer
koordinierten Wirtschafts- und Handelspolitik. Auch müßten
erst die
entsprechenden Institutionen für einen gemeinsamen Markt
geschaffen
werden. Die ökonomische Entwicklung der vergangenen Jahre gibt
allerdings eher den Ministern recht: Der innerasiatische Handel hat
seit Ende der 1990er sehr stark zugenommen. Die meisten Länder
sind
inzwischen nicht mehr fast auschließlich auf den Warenaustausch
mit
Nordamerika und Westeuropa fixiert.
Indien in Mittlerrolle
Für Japan verliefen hingegen die sogenannten
ASEAN-plus-drei-Gespräche,
die im Anschluß an die Tagung in Kuala Lumpur abgehalten wurden,
eher
enttäuschend. China und Südkorea – die sich seit Jahren
mit Japan und
der
ASEAN zur besagten Runde treffen –
hatten darauf bestanden, die Verhandlungen über eine asiatische
Freihandelszone fortzusetzen. Diese werden zwischen den drei
ostasiatischen Nationen und der
ASEAN seit
1998 geführt. Erst wenn die abgeschlossen seien, könne man
den nächsten
Schritt machen, meinte Südkoreas Handelsminister Kim Hyun Chong.
Japan
hatte auf einen größeren Handelsraum gedrängt, der auch
Australien,
Indien und Neuseeland einbeziehen sollte. Der Hintergrund: Japan lehnt
sich in letzter Zeit stärker an die USA an und definiert seine
Rolle
als Gegengewicht zum aufstrebenden China. Während Südkoreas
Bündnis mit
den USA und seinen engsten Verbündeten immer brüchiger wird,
sucht
Japan den Schulterschluß mit den anderen US-Alliierten in der
Region.
Etwas komplizierter ist in diesem Zusammenhang die Rolle Indiens, das
zwar einerseits heftig von den USA umworben wird, sich allerdings
ökonomisch verstärkt China und den
ASEAN-Staaten
annähert. So fanden am Donnerstag in Kuala Lumpur auch
Gespräche zwischen den
ASEAN-Wirtschaftsministern
und ihrem indischen Kollegen über ein gemeinsames
Freihandelsabkommen
statt. China ist ebenfalls an Erleichterungen im Handel mit seinem
großen Nachbarn im Süden gelegen. Es kann daher davon
ausgegangen
werden, daß sich die Opposition gegen den japanischen
Vorstoß vor allem
auf den treuen US-Verbündeten Australien bezog.
Während die Handelserleichterungen zwischen China und den
ASEAN-Staaten
bereits weit reale Bedeutung für den Warenaustausch haben,
muß Südkorea
noch bis Mai 2010 warten, bis sein Warenverkehr mit der
ASEAN
liberalisiert wird. Gegenüber Japan sind die zum Teil kaum
industrialisierten südostasiatischen Staaten noch
zögerlicher. Mit
Nippons moderner Industrie würden bestenfalls die Unternehmen
Singapurs
in einem gemeinsamen Markt ohne Schutzzölle konkurrieren
können. Die
schwachen Industrien der Philippinen oder Indonesiens wären
hingegen
hoffnungslos unterlegen.
Streit um Kaesong
Unterdessen hat Seoul in Kuala Lumpur einen wichtigen Erfolg erzielt:
Die Kaesong-Sonderwirtschaftszone in Nordkorea, in der
südkoreanische
Unternehmen produzieren dürfen, wurde in die Verträge
einbezogen. Neun
von zehn
ASEAN-Mitgliedern
haben zugesichert, daß sie für eine Auswahl von 100
Produkten, die in
Kaesong hergestellt werden, die Einfuhrzölle senken werden. Nur
Thailand bockt noch ein wenig, da es mit Südkorea wegen seiner
Reisexporte im Streit liegt. Bangkok würde gerne für seine
Reisproduzenten den südkoreanischen Markt erschließen, doch
Seoul
schützt seine Bauern mit Importzöllen.
In Kaesong, unmittelbar
nördlich der innerkoreanischen Grenze gelegen, bauen
südkoreansiche
Konzerne seit Mitte 2003 ein Industriegebiet auf, in dem derzeit etwa
6000 nordkoreanische Arbeiterinnen und Arbeiter für 15 Unternehmen
aus
dem Süden tätig sind. Nach Seouler Plänen sollen bis zum
Jahren
2012 2000 Unternehmen angesiedelt sein, die dann 350000
Beschäftigte
auf ihren Lohnlisten hätten. In den Gesprächen über ein
Freihandelsabkommen, die Seoul mit Washington führt, erweist sich
Kaesong bisher als wesentliches Hindernis. Südkorea möchte
die dort
produzierten Waren in das Abkommen einbeziehen und argumentiert damit,
daß die Sonderwirtschaftszone Teil seiner Anstrengungen sei, den
nördlichen Nachbarn auf den Weg der Marktwirtschaft zu
drängen. In
Washington hält man allerdings wenig von derlei Gesten
gegenüber dem
»Schurkenstaat«. Einiges spricht jedoch dafür,
daß man sich dort
demnächst eines anderen besinnt, um angesichts der wachsenden
regionalen Integration nicht den Anschluß zu verlieren.