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26.08.2006 / Betrieb & Gewerkschaft / Seite 9

Asien rückt zusammen

Die Wirtschaftsminister der ASEAN-Staaten wollen die Schaffung eines gemeinsamen Marktes beschleunigen

Wolfgang Pomrehn

In Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur haben sich diese Woche die Handelsminister der südost­asiatischen Allianz ASEAN getroffen. Mit von der Partie waren auch Vertreter Indiens, Japans, Chinas und Südkoreas. Auf der Tagesordnung standen vor allem Gespräche über verschiedene Freihandelsabkommen. Der ASEAN gehören Indonesien, Singapur, Malaysia, Thailand, Myanmar (Burma), Laos, Kambodscha, Vietnam, die Philippinen und Brunei an. Bevor sich die ASEAN-Minister mit ihren Kollegen aus den Nachbarländern trafen, hatten sie sich auf eine beschleunigte ökonomische Integra­tion der Gemeinschaft geeinigt. Schon im Jahre 2015 solle ein gemeinsamer Markt nach dem Vorbild der Europäischen Union geschaffen sein, heißt es in einer am Dienstag verabschiedeten Erklärung. Unternehmerkreise in der Region reagierten auf die Ankündigung allerdings eher skeptisch. Es fehle bisher an einer koordinierten Wirtschafts- und Handelspolitik. Auch müßten erst die entsprechenden Institutionen für einen gemeinsamen Markt geschaffen werden. Die ökonomische Entwicklung der vergangenen Jahre gibt allerdings eher den Ministern recht: Der innerasiatische Handel hat seit Ende der 1990er sehr stark zugenommen. Die meisten Länder sind inzwischen nicht mehr fast auschließlich auf den Warenaustausch mit Nordamerika und Westeuropa fixiert.

Indien in Mittlerrolle

Für Japan verliefen hingegen die sogenannten ASEAN-plus-drei-Gespräche, die im Anschluß an die Tagung in Kuala Lumpur abgehalten wurden, eher enttäuschend. China und Südkorea – die sich seit Jahren mit Japan und der ASEAN zur besagten Runde treffen – hatten darauf bestanden, die Verhandlungen über eine asiatische Freihandelszone fortzusetzen. Diese werden zwischen den drei ostasiatischen Nationen und der ASEAN seit 1998 geführt. Erst wenn die abgeschlossen seien, könne man den nächsten Schritt machen, meinte Südkoreas Handelsminister Kim Hyun Chong.

Japan hatte auf einen größeren Handelsraum gedrängt, der auch Australien, Indien und Neuseeland einbeziehen sollte. Der Hintergrund: Japan lehnt sich in letzter Zeit stärker an die USA an und definiert seine Rolle als Gegengewicht zum aufstrebenden China. Während Südkoreas Bündnis mit den USA und seinen engsten Verbündeten immer brüchiger wird, sucht Japan den Schulterschluß mit den anderen US-Alliierten in der Region. Etwas komplizierter ist in diesem Zusammenhang die Rolle Indiens, das zwar einerseits heftig von den USA umworben wird, sich allerdings ökonomisch verstärkt China und den ASEAN-Staaten annähert. So fanden am Donnerstag in Kuala Lumpur auch Gespräche zwischen den ASEAN-Wirtschaftsministern und ihrem indischen Kollegen über ein gemeinsames Freihandelsabkommen statt. China ist ebenfalls an Erleichterungen im Handel mit seinem großen Nachbarn im Süden gelegen. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß sich die Opposition gegen den japanischen Vorstoß vor allem auf den treuen US-Verbündeten Australien bezog.

Während die Handelserleichterungen zwischen China und den ASEAN-Staaten bereits weit reale Bedeutung für den Warenaustausch haben, muß Südkorea noch bis Mai 2010 warten, bis sein Warenverkehr mit der ASEAN liberalisiert wird. Gegenüber Japan sind die zum Teil kaum industrialisierten südostasiatischen Staaten noch zögerlicher. Mit Nippons moderner Industrie würden bestenfalls die Unternehmen Singapurs in einem gemeinsamen Markt ohne Schutzzölle konkurrieren können. Die schwachen Industrien der Philippinen oder Indonesiens wären hingegen hoffnungslos unterlegen.

Streit um Kaesong

Unterdessen hat Seoul in Kuala Lumpur einen wichtigen Erfolg erzielt: Die Kaesong-Sonderwirtschaftszone in Nordkorea, in der südkoreanische Unternehmen produzieren dürfen, wurde in die Verträge einbezogen. Neun von zehn ASEAN-Mitgliedern haben zugesichert, daß sie für eine Auswahl von 100 Produkten, die in Kaesong hergestellt werden, die Einfuhrzölle senken werden. Nur Thailand bockt noch ein wenig, da es mit Südkorea wegen seiner Reisexporte im Streit liegt. Bangkok würde gerne für seine Reisproduzenten den südkoreanischen Markt erschließen, doch Seoul schützt seine Bauern mit Importzöllen.

In Kaesong, unmittelbar nördlich der innerkoreanischen Grenze gelegen, bauen südkoreansiche Konzerne seit Mitte 2003 ein Industriegebiet auf, in dem derzeit etwa 6000 nordkoreanische Arbeiterinnen und Arbeiter für 15 Unternehmen aus dem Süden tätig sind. Nach Seouler Plänen sollen bis zum Jahren 2012 2000 Unternehmen angesiedelt sein, die dann 350000 Beschäftigte auf ihren Lohnlisten hätten. In den Gesprächen über ein Freihandelsabkommen, die Seoul mit Washington führt, erweist sich Kaesong bisher als wesentliches Hindernis. Südkorea möchte die dort produzierten Waren in das Abkommen einbeziehen und argumentiert damit, daß die Sonderwirtschaftszone Teil seiner Anstrengungen sei, den nördlichen Nachbarn auf den Weg der Marktwirtschaft zu drängen. In Washington hält man allerdings wenig von derlei Gesten gegenüber dem »Schurkenstaat«. Einiges spricht jedoch dafür, daß man sich dort demnächst eines anderen besinnt, um angesichts der wachsenden regionalen Integration nicht den Anschluß zu verlieren.