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05.05.2006 / Ausland / Seite 9

Währung für Asien?

Volkswirtschaften in Fernost rücken enger zusammen. Entwicklungsbank führt neuen Währungsindex ein. Von Wolfgang Pomrehn


Geht es demnächst dem Dollar in Asien an den Kragen? Nicht ganz, aber das internationale Gefüge der Währungen wird neu austariert, und die Rolle des Greenbacks als Weltgeld wird weiter relativiert, wenn sich die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) mit ihren Plänen durchsetzt. Im indischen Hyderabad tagt derzeit die ADB-Jahreskonferenz, und voraussichtlich wird ADB-Chef Haruhiko Kuroda noch vor Abschluß der Gespräche am Samstag die Geburt einer asiatischen Verrechnungseinheit bekanntgeben. Manche der beteiligten Staaten sehen darin bereits die Vorstufe zu einer gemeinsamen asiatischen Währung.

So weit ist es allerdings noch nicht. Zunächst geht es nur darum, mit der Asian Currency Unit (ACU) eine Art Währungsindex zu schaffen, ein Hilfsmittel für Währungspolitiker. Die ACU soll auf einem Korb von Währungen beruhen, die unter anderem nach der hinter ihnen stehenden Wirtschaftskraft gewichtet werden. Im Korb werden vermutlich der japanischen Yen, der chinesische Yuan, der südkoreanische Won sowie die Währungen der Südostasiatischen Staatenallianz ASEAN liegen.

Von dem Projekt verspricht man sich einen stabilisierenden Effekt auf die regionalen Wechselkursverhältnisse. Insbesondere wenn es in einem zweiten Schritt gelingt, einen Markt für Staats- und Unternehmensanleihen zu etablieren, auf dem die Schuldscheine in ACU notiert werden. Das, so hofft man bei der ADB, würde die gewaltigen Ersparnisse, die sich in den ost- und südostasiatischen Ländern angehäuft haben, in der Region halten und damit die Stabilität der dortigen Währungen erhöhen.

Krisenmanagement

Die Idee ist nicht ganz neu, hat aber im letzten Jahr aufgrund des rekordverdächtigen Booms an Schwung gewonnen. Erstmalig wurde sie bereits kurz vor Ausbruch der sogenannten Asienkrise 1997/98 diskutiert. Sie ist Teil eines Pakets, mit dem sich vor allem die Länder Ost- und Südostasiens vom Krisenmanagement des Internationalen Währungsfonds (IWF) unabhängig machen wollen. Die traditionellen IWF-Konzepte haben seinerzeit in den Ländern, die von ihm Kredite annehmen mußten, um die Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, krisenverschärfend gewirkt. Daher haben die zehn ASEAN-Mitgliedsstaaten gemeinsam mit Südkorea, China und Japan bereits vor Jahren begonnen, ein System aufzubauen, das künftige Währungskrisen vermeiden soll. Dafür bedarf es unter anderem abgestimmter Interventionen an den Devisenmärkten und eines Fonds, der Staaten kurzfristig unter die Arme greifen kann, wenn sie aufgrund von Währungsturbulenzen in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Ähnlich wie es auch die Aufgabe des IWF ist, nur ohne dessen starre Vorstellungen von Sparhaushalten, Hochzinspolitik und Lohndrückerei, die 1997/98 so verheerend wirkten. Außerdem hätten die sogenannten ASEAN-plus-drei-Länder die alleinige Kontrolle über den Fonds.

Die ACU ist Teil dieser Politik. ADB-Präsident Haruhiko Kuroda beeilt sich unterdessen zu betonen, daß das Projekt keine Währung sei und keine Ähnlichkeit mit dem Euro-Vorläufer ECU (European Currency Unit) habe. Allerdings könnte die ACU künftig, sollte sie auch im Warenaustausch genutzt werden, den Handel in der Region gegen Kursschwankungen des Dollars abschirmen.

Tatsächlich gibt es inzwischen in Ostasien viele Diskussionen über eine gemeinsame Währung. Die meisten Beobachter sind sich allerdings einig, daß es dahin ein langer Weg ist. Noch sind die politischen und ökonomischen Differenzen zwischen den beteiligten Ländern viel zu groß. Neben vielem anderen fehlt es an Ausgleichsfonds wie in der EU, die dafür sorgten, daß das ökonomische Gefälle zwischen Ländern wie Portugal, Griechenland und Spanien gegenüber dem industriellen Kern der EU einigermaßen abgeflacht wurde.

Wachsende Integration

Was die wirtschaftliche Integration angeht, eine andere Voraussetzung für eine gemeinsame Währung, hat die Region allerdings in jüngster Zeit gewaltige Fortschritte gemacht. Noch vor wenigen Jahren herrschten überall in Asien die alten kolonialen Muster in den Handelsbeziehungen vor: Die Staaten betrieben, selbst wenn sie statt Rohstoffen inzwischen Fertigwaren exportierten, Warenaustausch vor allem mit Nordamerika oder Westeuropa. Der Handel mit den Nachbarn war hingegen zu vernachlässigen. Dieses Bild hat sich inzwischen radikal geändert. Über die Hälfte der Exporte bleibt mittlerweile in der Region. Das gilt nicht nur für die ASEAN-Mitglieder, die konkrete Schritte in Richtung eines gemeinsamen Marktes nach EU-Vorbild unternommen haben, sondern zum Beispiel auch für Indien, das über 40 Prozent seiner Ausfuhren nach Ostasien schickt. Der indische Handel mit China hat sich binnen fünf Jahren verzwölffacht. Die Volksrepublik ist inzwischen der zweitwichtigste Handelspartner Indiens und könnte demnächst die USA von Platz eins verdrängen. Doch nur, wenn auf dem Kontinent auch politisch enger zusammengerückt wird, ist eine gemeinsame Währung langfristig möglich.