Geht es demnächst dem Dollar in Asien an den Kragen? Nicht ganz,
aber
das internationale Gefüge der Währungen wird neu austariert,
und die
Rolle des Greenbacks als Weltgeld wird weiter relativiert, wenn sich
die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) mit ihren Plänen durchsetzt.
Im
indischen Hyderabad tagt derzeit die ADB-Jahreskonferenz, und
voraussichtlich wird ADB-Chef Haruhiko Kuroda noch vor Abschluß
der
Gespräche am Samstag die Geburt einer asiatischen
Verrechnungseinheit
bekanntgeben. Manche der beteiligten Staaten sehen darin bereits die
Vorstufe zu einer gemeinsamen asiatischen Währung.
So
weit ist es allerdings noch nicht. Zunächst geht es nur darum, mit
der
Asian Currency Unit (ACU) eine Art Währungsindex zu schaffen, ein
Hilfsmittel für Währungspolitiker. Die ACU soll auf einem
Korb von
Währungen beruhen, die unter anderem nach der hinter ihnen
stehenden
Wirtschaftskraft gewichtet werden. Im Korb werden vermutlich der
japanischen Yen, der chinesische Yuan, der südkoreanische Won
sowie die
Währungen der Südostasiatischen Staatenallianz
ASEAN liegen.
Von
dem Projekt verspricht man sich einen stabilisierenden Effekt auf die
regionalen Wechselkursverhältnisse. Insbesondere wenn es in einem
zweiten Schritt gelingt, einen Markt für Staats- und
Unternehmensanleihen zu etablieren, auf dem die Schuldscheine in ACU
notiert werden. Das, so hofft man bei der ADB, würde die
gewaltigen
Ersparnisse, die sich in den ost- und südostasiatischen
Ländern
angehäuft haben, in der Region halten und damit die
Stabilität der
dortigen Währungen erhöhen.
Krisenmanagement
Die Idee ist nicht ganz neu, hat aber im
letzten Jahr aufgrund des rekordverdächtigen Booms an Schwung
gewonnen.
Erstmalig wurde sie bereits kurz vor Ausbruch der sogenannten
Asienkrise 1997/98 diskutiert. Sie ist Teil eines Pakets, mit dem sich
vor allem die Länder Ost- und Südostasiens vom
Krisenmanagement des
Internationalen Währungsfonds (IWF) unabhängig machen wollen.
Die
traditionellen IWF-Konzepte haben seinerzeit in den Ländern, die
von
ihm Kredite annehmen mußten, um die Zahlungsunfähigkeit zu
vermeiden,
krisenverschärfend gewirkt. Daher haben die zehn
ASEAN-Mitgliedsstaaten
gemeinsam mit Südkorea, China und Japan bereits vor Jahren
begonnen,
ein System aufzubauen, das künftige Währungskrisen vermeiden
soll.
Dafür bedarf es unter anderem abgestimmter Interventionen an den
Devisenmärkten und eines Fonds, der Staaten kurzfristig unter die
Arme
greifen kann, wenn sie aufgrund von Währungsturbulenzen in
Zahlungsschwierigkeiten geraten. Ähnlich wie es auch die Aufgabe
des
IWF ist, nur ohne dessen starre Vorstellungen von Sparhaushalten,
Hochzinspolitik und Lohndrückerei, die 1997/98 so verheerend
wirkten.
Außerdem hätten die sogenannten
ASEAN-plus-drei-Länder
die alleinige Kontrolle über den Fonds.
Die
ACU ist Teil dieser Politik. ADB-Präsident Haruhiko Kuroda beeilt
sich
unterdessen zu betonen, daß das Projekt keine Währung sei
und keine
Ähnlichkeit mit dem Euro-Vorläufer ECU (European Currency
Unit) habe.
Allerdings könnte die ACU künftig, sollte sie auch im
Warenaustausch
genutzt werden, den Handel in der Region gegen Kursschwankungen des
Dollars abschirmen.
Tatsächlich gibt es inzwischen in Ostasien
viele Diskussionen über eine gemeinsame Währung. Die meisten
Beobachter
sind sich allerdings einig, daß es dahin ein langer Weg ist. Noch
sind
die politischen und ökonomischen Differenzen zwischen den
beteiligten
Ländern viel zu groß. Neben vielem anderen fehlt es an
Ausgleichsfonds
wie in der EU, die dafür sorgten, daß das ökonomische
Gefälle zwischen
Ländern wie Portugal, Griechenland und Spanien gegenüber dem
industriellen Kern der EU einigermaßen abgeflacht wurde.
Wachsende Integration
Was die wirtschaftliche Integration
angeht, eine andere Voraussetzung für eine gemeinsame
Währung, hat die
Region allerdings in jüngster Zeit gewaltige Fortschritte gemacht.
Noch
vor wenigen Jahren herrschten überall in Asien die alten
kolonialen
Muster in den Handelsbeziehungen vor: Die Staaten betrieben, selbst
wenn sie statt Rohstoffen inzwischen Fertigwaren exportierten,
Warenaustausch vor allem mit Nordamerika oder Westeuropa. Der Handel
mit den Nachbarn war hingegen zu vernachlässigen. Dieses Bild hat
sich
inzwischen radikal geändert. Über die Hälfte der Exporte
bleibt
mittlerweile in der Region. Das gilt nicht nur für die
ASEAN-Mitglieder,
die konkrete Schritte in Richtung eines gemeinsamen Marktes nach
EU-Vorbild unternommen haben, sondern zum Beispiel auch für
Indien, das
über 40 Prozent seiner Ausfuhren nach Ostasien schickt. Der
indische
Handel mit China hat sich binnen fünf Jahren verzwölffacht.
Die
Volksrepublik ist inzwischen der zweitwichtigste Handelspartner Indiens
und könnte demnächst die USA von Platz eins verdrängen.
Doch nur, wenn
auf dem Kontinent auch politisch enger zusammengerückt wird, ist
eine
gemeinsame Währung langfristig möglich.