Die Weltbank ist mit der Entwicklung der chinesischen Wirtschaft
hochzufrieden, wie ihrem Quartalsbericht über das Land der Mitte
zu
entnehmen ist, der letzte Woche veröffentlicht wurde. Das
Wirtschaftswachstum hat 2006 bisher deutlich über den hohen
Erwartungen
gelegen, so daß für das Gesamtjahr ein Wachstum von 10,4
Prozent
vorhergesagt wird. Nur die Art des Wachstums macht den Bankern aus
Washington ein klein wenig Sorge: Zuviel Industrie, zuwenig
Dienstleistungen. Das Verhältnis sei nicht richtig ausbalanciert.
Außerdem heißen die Motoren des Daueraufschwungs weiter
Außenhandel
sowie Investitionen in neue Fertigungsanlagen und nicht Konsum. Der
nimmt zwar ebenfalls kräftig zu, bleibt aber immer hinter den
Wachstumsraten der anderen Faktoren zurück. Die neue Politik der
chinesischen Führung, die mehr auf die Stärkung des
Binnenmarktes
setzen will, hat noch nicht richtig gegriffen.
Ähnliches
gilt für die Umweltpolitik. Die Weltbank hat einen Index
entwickelt,
der den Verbrauch natürlicher Ressourcen mißt, darunter auch
der
landwirtschaftlich nutzbaren Fläche. Weiter gehen die
Verschmutzung von
Luft und Wasser in die Bewertung, die ein Maß für die
Nachhaltigkeit
der Wirtschaftsweise sein soll. In einer von der Weltbank aufgestellten
Rangliste von 146 Staaten landet die Volksrepublik nur auf Platz 133.
Die extrem schlechte Luft in vielen chinesischen Städten und die
katastrophalen Wasserprobleme sind inzwischen legendär. Auch hier
hat
die neue Politik, die auf mehr Qualität statt Quantität
setzen will,
noch keine im Landesmaßstab spürbaren Erfolge gebracht.
Lob von der Weltbank
Sehr angetan ist man bei der Weltbank hingegen von der Entwicklung der
chinesischen Privatwirtschaft: »Eine der chinesischen
Stärken ist die
starke Betonung, die seine Regierung auf das Wachstum des Privatsektors
legt«, meint Lars Thunell von der Weltbankabteilung für
finanzielle
Zusammenarbeit. »Viele Regierungen in aller Welt sprechen
über die
Notwendigkeit der Entwicklung des privaten Sektors, aber wenige sind so
erfolgreich wie die chinesische.« Privatunternehmen investieren
mehr
als staatseigene, und sie konnten ihre Exporte deutlich stärker
ausweiten als diese. Zugleich nimmt die Ungleichheit in der
chinesischen Gesellschaft weiter zu. Zwar sind die Einkommen
städtischer Arbeiter und Angestellter im ersten Halbjahr 2006 im
Vergleich zum Vorjahr um durchschnittlich 14 Prozent gestiegen, die
Profite chinesischer Unternehmen sind allerdings im Mittel um 28
Prozent gewachsen. Nach Angaben der Weltbank war der Gewinnzuwachs im
Privatsektor tendenziell am höchsten, genauere Angaben werden
nicht
gemacht.
Zu den Zielen der Kooperation der Weltbank mit
China
gehört unter anderem auch die Stärkung der Markwirtschaft und
privater
ökonomischer Institutionen. Daneben werden Kredite für
Armutsbekämpfung, Infrastrukturmaßnahmen und Umweltschutz
vergeben. Für
China ist die Zusammenarbeit attraktiv, da
die Weltbankgelder zu besonders günstigen Konditionen verliehen
werden.
Deshalb nimmt Peking die Kredite gerne mit, obwohl es inzwischen
über
die weltweit größten Reserven an ausländischen Devisen
verfügt, in Geld
also schwimmt. Hintergrund des Weltbankengagements in der Volksrepublik
ist die Tatsache, daß
China mit einem
Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt von nur knapp 1400 Euro noch immer zu den
Entwicklungsländern zählt.
Qualitätsoffensive
Zu den Überraschungen der jüngsten Entwicklung gehörte
der Außenhandel.
Trotz einer beginnenden Abschwächung beim wichtigsten
Wirtschaftspartner, den USA, hat der chinesische Export weiter
kräftig
zugelegt und allein zweieinhalb Prozentpunkte zum Wirtschaftswachstum
beigetragen. Gleichzeitig sind die chinesischen Importe trotz
steigender Preise für Rohstoffe und fossile Energieträger
etwas
langsamer gewachsen als die Ausfuhren, so daß die Volksrepublik
Rekordüberschüsse erzielte. Im Gegensatz zu Deutschland, das
seit
Jahrzehnten durch seine inzwischen exorbitanten
Handelsbilanzüberschüsse für Ungleichgewichte in der
Weltwirtschaft
sorgt, ist das für
China
allerdings eine sehr neue Entwicklung. Erklärtes Ziel der
Regierung ist
es zudem, das Verhältnis ausgeglichener zu gestalten. Man stelle
sich
einmal vor, Bundeswirtschaftsminister Gloss würde verkünden,
die
Kaufkraft der deutschen Konsumenten solle gestärkt werden, damit
auch
die Nachbarländer an den Erfolgen der hiesigen Exportwirtschaft
teilhaben können.
Der chinesische Handelsbilanzüberschuß ist
allerdings auch ein Ergebnis der technologischen Aufholjagd. Der Anteil
der importierten Vorprodukte in den Ausfuhren nimmt rasch ab. Autoteile
und elektronische Komponenten für die besonders boomende
Hightech-Industrie werden zunehmend im Lande gefertigt. Hinzu kommt
eine Diversifizierung der Ausfuhren und eine rasche
Qualitätzunahme.
Die Volksrepublik kopiert sehr erfolgreich das Entwicklungsmodell der
sogenannten asiatischen Tiger, die ab den 1960er Jahren zunächst
im
Billigsektor ihre Kapital- und Know-how-Akkumulation begonnen und
dann
schrittweise zu den Industriestaaten aufgeschlossen haben.