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12.10.2006 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Rollende Offensive

Die Automobilhersteller der Volksrepublik China schicken sich an, den einheimischen Markt zu dominieren

Von Wolfgang Pomrehn

Chinas PKW-Bauer sind dabei, den heimischen Markt zu erobern. Lange Zeit hatten sie nur als Juniorpartner in den Gemeinschaftsunternehmen mit Ford, VW oder anderen westlichen Konzernen eine Chance gehabt. Doch diese Zeiten sind vorbei. Im ersten Halbjahr 2006, vermelden die Statistiker in Peking, konnten heimische Unternehmen sich 27 Prozent des PKW-Absatzes sichern.

Die chinesische Automobilindustrie ist noch sehr zersplittert. Einige große Hersteller beginnen sich jedoch herauszuschälen, und die Regierung fördert Firmenzusammenschlüsse nach Kräften. China ist inzwischen mit fünf Millionen Fahrzeugen der weltweit drittgrößte Hersteller. 33 Millionen PKW sind derzeit auf seinen Straßen unterwegs. In Peking, der Stadt mit den höchsten PKW-Wachstumsraten, sind inzwischen 2,7 Millionen Kraftwagen für 14,56 Millionen Einwohner registriert. Die Kopie des westlichen Lebenstils bedeutet natürlich eine erhebliche Belastung für die lokale wie globale Umwelt. Von den zehn Megastädten mit der weltweit schlechtesten Luftqualität liegen acht in der Volksrepublik China. Das liegt unter anderem am Bau immer neuer Kohlekraftwerke, aber seit 2003 hat der rasch wachsende Autoverkehr den Platz des Luftverschmutzers Nummer eins inne. Die Regierung in Peking versucht daher, mit strengen Auflagen der wachsenden Belastung Herr zu werden. Erst Anfang der Woche gab die zentrale Umweltschutzbehörde neue Standards für PKW-Motoren bekannt, die ab 2007 die Emissionen pro Wagen um 30 Prozent senken sollen. Gleichzeitig wurden weitere Verschärfungen für 2010 angekündigt. Die neuen Normen zielen vor allem auf die Emissionen giftiger Kohlenwasserstoffverbindungen und auf Stickoxide. Letztere sind verantwortlich für den sommerlichen Ozon-Smog, der im Juli auch hierzulande wieder von sich reden machte. Ein anderes Problem ist in der Volksrepublik der hohe Schwefelanteil in den Kraftstoffen, der von den Raffinerien gesenkt werden müßte. Auflagen gibt es noch nicht, aber die Umweltbehörde meint, daß das Problem bis 2008 im Griff sei.

Als Bestandteil eines ganzen Pakets von Steuern, die auf die Verteuerung sowohl von Luxusartikeln als auch von ökologisch problematischen Produkten zielen, wurde zu Beginn des Jahres auch die Steuer auf Großwagen drastisch angehoben und die für Kleinwagen zum Teil gesenkt. Angesichts des raschen Wachstums der PKW-Flotte ist es jedoch recht fraglich, ob die Maßnahmen ausreichen werden, um die Emissionen insgesamt nennenswert zu senken.

Das erfreuliche an den hohen chinesischen Umweltstandards ist jedoch, daß sie schon aus ökonomischen Gründen internationale Nachahmer finden werden. Der chinesische Automobilmarkt ist derzeit der drittgrößte weltweit und wird im nächsten Jahrzehnt vermutlich an die erste Stelle aufrücken. Angesichts dieser Bedeutung könnte das vielleicht auch bei europäischen Autokonzernen zu einem gewissen Umdenken führen. Während sich in der EU die Industrie gegen strengere Umweltauflagen sperrt, dürfen schon jetzt etwa 80 Prozent der in Deutschland nach hiesigen Normen hergestellten Autos in der Volksrepublik nicht mehr verkauft werden. In China gelten nämlich bereits höhere Standards als in Europa, die in zwei Schritten 2000 und 2005 eingeführt wurden.

Die strengen Umweltstandards werden auch mit Blick auf den Exportmarkt eingeführt. Angesichts von hohen Kraftstoffpreisen und wachsendem Umweltbewußtsein werden künftig weltweit jene Hersteller die Nase vorn haben, so das Kalkül der Pekinger Industriepolitik, die die saubersten und sparsamsten Wagen anbieten können. Ende August hatten die chinesischen Behörden angekündigt, daß ab nächstem Jahr strengere Auflagen für die Exportlizenzen gelten werden. Das Pekinger Handelsministerium will damit die Exporteure zu mehr Qualität zwingen. Fachleute befürchten nämlich, daß chinesische Marken einen schlechten Ruf bekommen, wenn PKW aus der Volksrepublik voreilig in zu schlechter Qualität in Europa oder Nordamerika angeboten werden. Die chinesischen Ausfuhren von Kraftfahrzeugen und Autoteilen sind in den letzten Jahren rasch expandiert und haben 2005 bereits über zehn Milliarden US-Dollar an Umsatz gebracht. Bisher geht der Löwenanteil der Ausfuhren in Entwicklungs- und Schwellenländer, doch die ersten chinesischen Hersteller nehmen bereits europäische und den US-Markt ins Visier.