Chinas Ökonomen haben ein Problem: Einerseits müssen sie die
steigende
Inflation eindämmen, andererseits die Folgen der abflauenden
Weltkonjunktur für das Land auffangen. Für letzteres
müßte eigentlich
der Binnenmarkt angekurbelt werden, doch das wiederum könnte
leicht den
Inflationsdruck erhöhen.
Die
Volksrepublik ist der wichtigste Lieferant für den
US-Konsumgütermarkt
und schaut daher beunruhigt über den Pazifik. Wie sehr und wie
nachhaltig haben Überschuldung und Wertverlust der eigenen vier
Wände
US-Verbrauchern die Kauflust genommen, heißt die bange Frage, die
sich
Pekings Planer und Zentralbanker stellen. Schon seit einigen Jahren
versuchen sie die extreme Exportabhängigkeit abzubauen und den
Binnenmarkt zu stärken. Doch die kräftigen
Gehaltszuwächse vor allem
der städtischen Mittelschichten haben bisher nicht den
erwünschten
Erfolg gebracht. Der Anteil des privaten Konsums am Bruttosozialprodukt
ging eher zurück, das heißt Export, Investitionen der
Unternehmen und
Infrastrukturmaßnahmen wuchsen noch schneller.
Immobilienblase?
Ein nicht kleiner Teil des zusätzlichen
Einkommens floß in den Erwerb von Eigentumswohnungen und hat in
vielen
chinesischen Metropolen den Markt inzwischen derart aufgeblasen,
daß
ihn Fachleute für höchst instabil halten. Auch in China sind
vielerorts
Häuser und Wohnungen erheblich überteuert, so daß
mancher schon vor dem
Platzen einer weiteren Immobilienblase warnt. Das starke Wachstum der
Volkswirtschaft hat dem Problem aber bisher die Spitze nehmen
können,
weil die Einkommensverhältnisse in den urbanen Ballungsgebieten
sich
von Jahr zu Jahr verbesserten. Chinas Städter, ganz im Gegensatz
zu
vielen Bauern und Wanderarbeitern, haben zunehmend Geld in der Tasche,
so daß massenhafte Zahlungsunfähigkeit nicht zu
befürchten ist. Die
Hypotheken chinesischer Banken scheinen, anders als in den USA, nicht
in Gefahr.
Es
sei denn die Inflation, die zuletzt deutlich angezogen hat, nimmt
weiter zu und frißt den Einkommenszuwachs wieder auf.
Insbesondere
Lebensmittelpreise waren im letzten Jahr kräftig nach oben
geschossen.
Nach den Schneestürmen, die das Land in den vergangenen Wochen in
den
Ausnahmezustand versetzten, ist auch in Sachen Inflation einiges zu
befürchten. Die ungewöhnlichen Kälteeinbrüche bis
tief in den
tropischen Süden des Landes haben in der Landwirtschaft
große Schäden
angerichtet. Zumindest in der ersten Jahreshälfte wird sich das
Lebensmittelangebot weiter verknappen und damit die Preise nach oben
treiben. Auch in Australien, für gewöhnlich ein großer
Getreideexporteur, ist in diesem Sommer – auf der
Südhalbkugel strebt
die warme Jahreszeit gerade ihrem Höhepunkt entgegen –durch
Dürren ein
großer Teil der Ernte ausgefallen. Auch das dürfte die
Inflation in
China anheizen.
Unterdessen macht das internationale Umfeld die
Lage nicht gerade einfacher. In den USA werden in den kommenden Monaten
die Zinsen noch weiter sinken, während sie in der Volksrepublik
zur
Bekämpfung der Inflation eher steigen. Damit wird es attraktiv,
Dollars
in Yuan zu konvertieren, um von der Zinsdifferenz zu profitieren.
Zusätzlich lockt die Aussicht auf die Aufwertung des Yuans
gegenüber
dem US-Dollar, die sich in diesem Jahr nach Ansicht chinesischer Banker
beschleunigen wird. Wer also jetzt in den USA Geld zu einem niedrigen
Zinssatz leiht und es in China höher verzinst wieder anlegt, kann
zusätzlich darauf hoffen die Summe in ein oder zwei Jahren zu
einem
wesentlich besserer Kurs zurücktauschen zu können.
Zinstourismus
Für derlei Geschäfte gab es in den letzten Jahren ein
Vorbild: Japan
hat bis vor kurzem über viele Jahre versucht, seiner Wirtschaft
mit
Billigkrediten auf die Beine zu helfen. Faktisch wurden somit mehrere
hundert Milliarden Dollar in die internationalen Finanzmärkte
gepumpt.
Man brauchte nur in Japan einen Kredit für maximal einen Prozent
Zinsen
aufnehmen und das Kapital in rentable Anlagen im Ausland stecken.
Etwas
ähnliches könnte sich demnächst auch im Verhältnis
zwischen den USA und
China ereignen. Zwar ist der Kapitalverkehr mit dem Ausland in der
Volksrepublik stark reglementiert, allerdings gibt es offenbar schon
jetzt allerlei Wege, die Kontrollen zu umgehen. Je größer
die
Zinsdifferenz und je höher das Gewinnversprechen, desto mehr
Trampelpfade werden sich für findige Spekulanten finden lassen.
Das
Problem an der Geschichte: Durch den Zufluß steigt die Geldmenge
im
Inland und erhöht den Inflationsdruck. Die Zinserhöhungen
könnten sich
also als wirkungslos erweisen. Die chinesischen Behörden
wären vor die
Alternative gestellt, ganz auf sie zu verzichten oder die Zinsen noch
weiter anzuziehen. Eine mögliche Gegenmaßnahme könnte
eine rasche
Aufwertung des Yuan sein. Das würde Importe verbilligen und damit
den
Inflationsdruck vermindern. Zusätzlich würde es den Umgang
mit
US-Amerikanern und Europäern erleichtern, die seit langem auf
einen
solchen Schritt drängen. Andererseits käme eine zu starke
Aufwertung
für die chinesische Exportindustrie einer Schocktherapie gleich.
Wir
dürfen gespannt sein, wie sich Peking in den nächsten Monaten
entscheiden wird.