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10.12.2009,  junge Welt

Affront mit Ansage

Das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Wetteraufzeichnungen endet mit einem Eklat bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. War es das etwa schon?

Von Wolfgang Pomrehn

Auch wenn es das deutschlandweite Schmuddelwetter vielleicht nicht vermuten läßt: Wir erleben gerade den letzten Monat des wärmsten Jahrzehnts seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Seit 2001 war jedes einzelne Jahr wärmer als alle Jahre des 20. Jahrhunderts mit Ausnahme von 1998. 2009 bildet keine Ausnahme: Die globalen Mittelwerte bis einschließlich Oktober lassen erwarten, daß es das fünftwärmste in der globalen Meßreihe werden wird.

So ist es im jüngsten Bericht der Weltmeteorologieorganisation WMO nachzulesen, herausgegeben pünktlich zum Beginn der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Die WMO ist die Dachorganisation von 189 nationalen Wetterdiensten in aller Welt. Ihr Jahresbericht bietet nicht nur die oft zitierte globale Mitteltemperatur, sondern auch eine Übersicht über extreme Wetterereignisse.

Zuletzt hatten Teile der britischen Inseln im November unter extrem schweren Niederschlägen zu leiden, die Ortschaften in Nordwestengland überschwemmten. An einigen Orten waren die Regenfälle die schwersten je registrierten. Auch viele andere Weltgegenden wie zum Beispiel das westliche und südliche Afrika oder zuletzt die Philippinen hatten 2009 mit extremen Niederschlägen zu kämpfen.

Bombenfund

Hitzewellen gab es in diesem Jahr unter anderem in Indien, wo im Mai 150 Menschen infolge extremer Temperaturen starben, und in Nordchina. Spanien erlebte seinen drittwärmsten Sommer nach 2003 und 2005, und auch Italien stöhnte im Juli bei Temperaturen von bis 45 Grad Celsius. In Australien entfachte im Januar und Februar eine extreme Hitzewelle zerstörerische Buschfeuer, die 173 Menschenleben kosteten. In Victoria kletterte das Thermometer bis auf 48,8 Grad Celsius.

Passend zu den Temperaturen wird der Südosten Australiens seit Jahren von Dürren heimgesucht, die der Landwirtschaft schwer zu schaffen machen. Bereits seit neun Jahren regnet es dort unterdurchschnittlich. Auch in China, in Indien, wo der Monsun extrem schwach ausfiel, in Kenia, in Mexiko sowie in Teilen der USA und Argentiniens litten die Ernten erheblich unter fehlenden Niederschlägen.

Eigentlich die richtige Einstimmung für die Verhandlungen über ein neues Klimaschutzabkommen, die am Montag in Kopenhagen mit Vertretern von 192 Staaten begonnen haben. Heraus kommen soll bis Ende nächster Woche eine Fortschreibung des Kyoto-Protokolls, das Ende 2012 ausläuft. Die Widersprüche zwischen den Entwicklungsländern und den Industriestaaten sind jedoch nach wie vor groß.

Für reichlich Wirbel sorgte am Dienstag ein durchgesickertes Papier, das die Regierungen Dänemarks, der USA und Großbritanniens erarbeitet haben. Formell liegt es noch nicht auf dem Verhandlungstisch, aber allein seine Form macht klar, daß Gastgeber Dänemark, der die Verhandlungen eigentlich vorantreiben sollte, nicht mehr an deren Erfolg glaubt. Es handelt sich nämlich um den Entwurf einer Abschlußerklärung, geschrieben offensichtlich mit dem Ziel, die über 100 Staats- und Regierungschefs, die nächste Woche in die dänische Hauptstadt reisen, nicht ganz mit leeren Händen dastehen zu lassen, wenn es keine Einigung über einen Vertragstext gibt.

Der Text hat es in mehrfacher Hinsicht in sich. Durch die Hintertür wollen die Autoren offensichtlich das für sie ungünstige Bezugsjahr 1990 abschaffen und statt dessen 2005 etablieren. Sowohl die US-amerikanischen als auch die dänischen Emissionen sind nämlich trotz gegenteiliger Verpflichtungen aus den bestehenden Verträgen munter weiter gewachsen. Deshalb macht es sich für diese beiden Länder wesentlich besser, wenn sich die Reduktionsverpflichtungen auf ein Jahr beziehen, in denen ihr Treibhausgasausstoß besonders hoch war.

Aber das ist eher eine technische Spielerei am Rande. Viel schwerwiegender ist der Umgang mit den Entwicklungsländern. Statt sich auf das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung zu beziehen, wie es in der Klimarahmenkonvention für Nord und Süd formuliert wurde, versucht man es mit Taschenspielertricks. Zunächst wird zutreffend dargestellt, daß die globalen Emissionen bis spätestens 2020 ihren Höhepunkt überschritten haben müssen. Dann wird jedoch darauf verwiesen, daß dies für die Industriestaaten bereits der Fall sei, und versucht, ein Zieldatum einzuführen, zu dem auch der Treibhausgasausstoß der Entwicklungsländer ihr Maximum überschreiten soll.

Kein Wort davon, daß das Emis­sionsniveau der reichen Länder natürlich ungleich höher ist als jenes der Entwicklungsländer. Selbst in China betragen die Pro-Kopf-Emissionen nur die Hälfte der hiesigen oder ein Viertel der US-amerikanischen. Eigentlich galt bisher als ein felsenfester Grundsatz der Klimaverhandlungen, daß im globalen Maßstab die Emssionen vor allem dadurch in den Griff bekommen werden müssen, daß die Industriestaaten rasch und einschneidend ihren Treibhausgasausstoß vermindern, damit die anderen Länder möglichst viel Raum haben, ihre Entwicklung voranzutreiben.

Als wäre das noch nicht genug, versucht das dänische Papier noch bindende Beschränkungen der Emissionen für Entwicklungsländer einzuführen. Das ist nicht nur angesichts dessen, daß viele Industrieländer wie etwa die USA, Dänemark, Irland, Kanada, Japan oder Spanien ihre Emissionen weiter gesteigert oder zumindest nicht reduziert haben, ein unglaublicher Affront. Es ist auch vollkommen klar, daß ein solcher Ansatz die Verhandlungen sprengt.

Sollbruchstellen

Die Entwicklungsländer haben bisher auf den jährlich stattfindenden Klimakonferenzen immer wieder klargemacht, daß völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen für sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage kommen. Zuletzt hatten China, Brasilien, Indien und Südafrika, nach dem sie offenbar schon im Vorfeld von dem dänischen Papier Wind bekommen hatten, auf einem gemeinsamen Strategietreffen Ende November deutlich und in den Gesprächen öffentlich die Sollbruchstellen benannt.

Dazu gehörten unter anderem alle Restriktionen für ihre Emissionen. Das heißt allerdings nicht, daß man in diesen Ländern unbekümmert weiter das Klima anheizen will. Brasilien, Indien und China hatten jeweils für sich zuvor angekündigt, die Emissionen künftig begrenzen zu wollen und dafür auch konkrete Ziele abgesteckt. So will China zum Beispiel 2020 für jeden Euro an Wirtschaftsleistung nur noch 55 Prozent der Treibhausgase emittieren, die es 2005 ausstieß.

Auch von den anderen Entwicklungsländern gibt es lauten Protest. Lumumba Di-Aping, der sudanesische Sprecher von 132 Entwicklungsländern, die in der »Gruppe der 77 und China« zusammengeschlossen sind, wirft dem Text Ungerechtigkeit vor. 80 Prozent der Menschheit würden zu weiterem Leiden verurteilt und alle in den letzten 20 Jahren erabeiteten Klimaschutzverträge vom Tisch gewischt.

Dänemarks Umweltministerin Connie Hedegaard, die für dieses Papier mitverantwortlich sein dürfte, wird übrigens demnächst als Klimaschutzkommissarin der EU eingeschworen. Soviel zum Thema der angeblichen Vorreiterrolle der Union im internationalen Klimaschutz.