Zehntausende Menschen haben am Wochenende in zahlreichen deutschen
Städten sowie in London, Brüssel, Glasgow, Dublin, San
Sebastian, Stockholm, Bordeaux, Marseille und in Paris für
mehr Klimaschutz demonstriert. Anlaß der Proteste war die
diesjährige, am heutigen Montag in
Kopenhagen
beginnende
UN-Klimakonferenz. Diese Beratungen finden jährlich statt,
aber diesmal geht es sozusagen um die Wurst. Ein Nachfolgevertrag
für das Kyoto-Protokoll soll ausgehandelt werden. In der
japanischen Stadt hatten sich 1997 (und danach) zahlreiche
Industriestaaten verpflichtet, den Ausstoß sogenannter
Treibhausgase zu senken und so die Erderwärmung zu begrenzen.
Geldfrage
Mehr als 100 der rund 190 teilnehmenden Staaten werden diesmal
durch ihren Staats- oder Regierungschef vertreten sein. Brasiliens
Präsident Luis Inácio »Lula« da Silva will
kommen, Chinas Premier Wen Jiabao, Bundeskanzlerin Angela Merkel
und US-Präsident Barack Obama. Letzterer hat am Samstag
angekündigt, daß er nun doch erst am 18. Dezember, dem
letzten Tag der Konferenz, kommen wird, dann wenn die Verhandlungen
in ihrer heißen Schlußphase sind. Das ist ein Hinweis
darauf, daß sich hinter den Kulissen nun doch eine Einigung
anbahnt.
Danach hatte es in den letzten Monaten nicht ausgesehen. Vor zwei
Jahren hatten die 192 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention
einen Verhandlungsfahrplan verabschiedet, an dessen Ende die
Konferenz in
Kopenhagen steht. Die
Gespräche sind allerdings
nicht recht vorangekommen. Die Regierungen in Europa und
Nordamerika haben auf die großen Schwellenländer wie
China und Indien gezeigt. Diese haben wiederum darauf verwiesen,
daß das Problem bisher fast ausschließlich von den
Emissionen der reichen Länder verursacht wird.
Zuletzt hatten US-Vertreter und verschiedene europäische
Regierungen, darunter die deutsche und die gastgebende
dänische, erklärt, in
Kopenhagen
werde es noch keine
Einigung auf einen neuen Vertrag geben. Die Entwicklungsländer
halten jedoch daran fest, daß ein Vertrag herauskommen
muß. Unter anderem haben das Ende November Indien, Brasilien,
Südafrika und China auf einem gemeinsamen Strategietreffen in
Peking deutlich gemacht.
Worum geht es im einzelnen? Es fängt schon bei der Frage an,
welcher Vertrag abgeschlossen werden soll. Die
Entwicklungsländer wollen, daß das Kyoto-Protokoll
fortgeschrieben wird. 189 Länder haben es ratifiziert,
allerdings nicht die USA. Diese versuchen daher hartnäckig
einen ganz neuen Vertrag durchzusetzen. Strittig ist auch die
Geldfrage. Klar ist bisher, daß es einen Fonds für
Entwicklungsländer geben soll, aus dem die vom Klimawandel
angerichtetn Schäden und Vorbeugemaßnahmen bezahlt
werden. Die EU sträubt sich eine konkrete Zahl für ihren
Beitrag zu nennen. 100 Milliarden jährlich wären nach
ihrer eigenen Einschätzung nötig, aber die Gemeinschaft
will, wie es aussieht, nur einen kleinen Bruchteil dieser Summe
beisteuern. Die Bundesregierung will ihren Beitrag zudem mit der
Entwicklungshilfe verrechnen. Im Augenblick sieht es danach aus,
daß der Fonds nur für die Inselstaaten und die
ärmsten Länder zur Verfügung stehen wird und mit
zehn Milliarden US-Dollar jährlich bestückt wird.
Weit auseinander
Dritter großer Streitpunkt ist die Verminderung der
Treibhausgasemissionen. Die Wissenschaftler des UN-Klimarates
IPCC sagen, daß der weitere Anstieg der Emissionen im
kommenden Jahrzehnt aufgehalten und diese danach zügig
reduziert werden müssen. Die Industriestaaten, so die
Klimaexperten, müßten, um das zu erreichen, ihren
Ausstoß bis 2020 um 25 bis 40 Prozent gegenüber 1990
reduzieren. Eine Forderung, die von vielen Entwicklungsländern
aufgegriffen wurde.
Die EU bietet bisher nur 20 Prozent an, ist aber bereit, auf 30
Prozent zu gehen,wenn andere mitziehen. Japan bietet mit
ähnlichem Vorbehalt 25 Prozent an. Die USA versuchen sich mit
Zahlentricks. Präsident Obama spricht von 17 Prozent,
bezieht sich aber auf 2005. Korrekt müßte er Null
Prozent sagen, denn er will die Emissionen bis 2020 so weit
reduzieren, daß die USA wieder das 1990er Niveau
erreichen.
Die Positionen liegen also noch immer weit auseinander. Um den
Druck zu erhöhen haben Indien, Brasilien und China in den
letzten Wochen erstmalig zum Teil erhebliche Selbstverpflichtungen
abgegeben. China will zum Beispiel bis 2020 für jeden Euro
seiner Wirtschaftsleistung nur noch etwas mehr als halb soviel
Treibhausgas emittieren wie 2005. Ob das gereicht hat, werden wir
in zwei Wochen wissen, aber eines ist sicher: Die in
Kopenhagen
beschlossenen Maßnahmen werden bei weitem nicht genügen
einen schwerwiegenden Klimawandel aufzuhalten. Um das zu erreichen,
muß in den kommenden Jahrzehnten der globale
Treibhausgasausstoß um 80 bis 90 Prozent reduziert werden.