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7.12.2009,  junge Welt

Tiefe Gräben

In Kopenhagen beginnen die Schlußverhandlungen um Folgeabkommen zum Klimaschutz. Positionen liegen noch immer weit auseinander

Von Wolfgang Pomrehn

Zehntausende Menschen haben am Wochenende in zahlreichen deutschen Städten sowie in London, Brüssel, Glasgow, Dublin, San Sebastian, Stockholm, Bordeaux, Marseille und in Paris für mehr Klimaschutz demonstriert. Anlaß der Proteste war die diesjährige, am heutigen Montag in Kopenhagen beginnende UN-Klimakonferenz. Diese Beratungen finden jährlich statt, aber diesmal geht es sozusagen um die Wurst. Ein Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll soll ausgehandelt werden. In der japanischen Stadt hatten sich 1997 (und danach) zahlreiche Industriestaaten verpflichtet, den Ausstoß sogenannter Treibhausgase zu senken und so die Erderwärmung zu begrenzen.

Geldfrage

Mehr als 100 der rund 190 teilnehmenden Staaten werden diesmal durch ihren Staats- oder Regierungschef vertreten sein. Brasiliens Präsident Luis Inácio »Lula« da Silva will kommen, Chinas Premier Wen Jiabao, Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama. Letzterer hat am Samstag angekündigt, daß er nun doch erst am 18. Dezember, dem letzten Tag der Konferenz, kommen wird, dann wenn die Verhandlungen in ihrer heißen Schlußphase sind. Das ist ein Hinweis darauf, daß sich hinter den Kulissen nun doch eine Einigung anbahnt.

Danach hatte es in den letzten Monaten nicht ausgesehen. Vor zwei Jahren hatten die 192 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention einen Verhandlungsfahrplan verabschiedet, an dessen Ende die Konferenz in Kopenhagen steht. Die Gespräche sind allerdings nicht recht vorangekommen. Die Regierungen in Europa und Nordamerika haben auf die großen Schwellenländer wie China und Indien gezeigt. Diese haben wiederum darauf verwiesen, daß das Problem bisher fast ausschließlich von den Emissionen der reichen Länder verursacht wird.

Zuletzt hatten US-Vertreter und verschiedene europäische Regierungen, darunter die deutsche und die gastgebende dänische, erklärt, in Kopenhagen werde es noch keine Einigung auf einen neuen Vertrag geben. Die Entwicklungsländer halten jedoch daran fest, daß ein Vertrag herauskommen muß. Unter anderem haben das Ende November Indien, Brasilien, Südafrika und China auf einem gemeinsamen Strategietreffen in Peking deutlich gemacht.

Worum geht es im einzelnen? Es fängt schon bei der Frage an, welcher Vertrag abgeschlossen werden soll. Die Entwicklungsländer wollen, daß das Kyoto-Protokoll fortgeschrieben wird. 189 Länder haben es ratifiziert, allerdings nicht die USA. Diese versuchen daher hartnäckig einen ganz neuen Vertrag durchzusetzen. Strittig ist auch die Geldfrage. Klar ist bisher, daß es einen Fonds für Entwicklungsländer geben soll, aus dem die vom Klimawandel angerichtetn Schäden und Vorbeugemaßnahmen bezahlt werden. Die EU sträubt sich eine konkrete Zahl für ihren Beitrag zu nennen. 100 Milliarden jährlich wären nach ihrer eigenen Einschätzung nötig, aber die Gemeinschaft will, wie es aussieht, nur einen kleinen Bruchteil dieser Summe beisteuern. Die Bundesregierung will ihren Beitrag zudem mit der Entwicklungshilfe verrechnen. Im Augenblick sieht es danach aus, daß der Fonds nur für die Inselstaaten und die ärmsten Länder zur Verfügung stehen wird und mit zehn Milliarden US-Dollar jährlich bestückt wird.

Weit auseinander

Dritter großer Streitpunkt ist die Verminderung der Treibhausgas­emissionen. Die Wissenschaftler des UN-Klimarates IPCC sagen, daß der weitere Anstieg der Emissionen im kommenden Jahrzehnt aufgehalten und diese danach zügig reduziert werden müssen. Die Industriestaaten, so die Klimaexperten, müßten, um das zu erreichen, ihren Ausstoß bis 2020 um 25 bis 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Eine Forderung, die von vielen Entwicklungsländern aufgegriffen wurde.

Die EU bietet bisher nur 20 Prozent an, ist aber bereit, auf 30 Prozent zu gehen,wenn andere mitziehen. Japan bietet mit ähnlichem Vorbehalt 25 Prozent an. Die USA versuchen sich mit Zahlentricks. Präsident ­Obama spricht von 17 Prozent, bezieht sich aber auf 2005. Korrekt müßte er Null Prozent sagen, denn er will die Emissionen bis 2020 so weit reduzieren, daß die USA wieder das 1990er Niveau erreichen.

Die Positionen liegen also noch immer weit auseinander. Um den Druck zu erhöhen haben Indien, Brasilien und China in den letzten Wochen erstmalig zum Teil erhebliche Selbstverpflichtungen abgegeben. China will zum Beispiel bis 2020 für jeden Euro seiner Wirtschaftsleistung nur noch etwas mehr als halb soviel Treibhausgas emittieren wie 2005. Ob das gereicht hat, werden wir in zwei Wochen wissen, aber eines ist sicher: Die in Kopenhagen beschlossenen Maßnahmen werden bei weitem nicht genügen einen schwerwiegenden Klimawandel aufzuhalten. Um das zu erreichen, muß in den kommenden Jahrzehnten der globale Treibhausgasausstoß um 80 bis 90 Prozent reduziert werden.