Uns bleiben noch acht Jahre, dann muß der weitere Anstieg der
Treibhausgasemissionen endlich aufgehalten sein. Danach
müßte der
Ausstoß rasch sinken, sollen noch die schlimmsten Folgen des
Klimawandels verhindert werden. Bis zur Mitte des Jahrhunderts
müßte
die Wirtschaft weitgehend auf Energiequellen umgestellt sein, die ohne
die Verbrennung fossiler Brennstoffe auskommen, bei der das
klimaschädigende Kohlendioxid (CO2) freigesetzt wird. So steht es
im
jüngsten Bericht des UN-Klimarates IPCC, des Zwischenstaatlichen
Ausschusses für Klimawandel, so der offizielle Name. Vergangene
Woche
hatte das Gremium, in dem mehr als 2500 Wissenschaftler aus 130
Ländern
mitarbeiten, im spanischen Valencia getagt, um aus den mehreren tausend
Seiten seines neuesten Sachstandsberichts eine handliche
Zusammenfassung für Politiker zu machen.
Und
die hat es in sich: Um bis zu 6,4 Grad könnte sich im globalen
Mittel
das Klima bis zum Ende des Jahrhunderts erwärmen. Das würde
die Erde
weit über alles hinaus führen, was sie in den letzten 1,2
Millionen
Jahren erlebt hat. Seit etwa dieser Zeit sind beide Pole vereist, womit
die Erde in einen Zyklus sich abwechselnder Kalt- und Warmzeiten
eintrat. Die meisten Wissenschaftler halten eine Erhöhung der
mittleren
globalen Temperatur um zwei Grad für die Grenze, die gerade noch
verträglich ist. Doch selbst dann werden die Wärmeausdehnung
der Ozeane
und das Schmelzwasser von den Gletschern Grönlands und der
Westantarktis den Meeresspiegel noch Jahrhunderte weiter steigen
lassen. Je weniger gegen Treibhausgasemissionen getan wird, desto
rascher und drastischer wird dieser Anstieg ausfallen. Insgesamt steckt
in den beiden Eismassen genug gefrorenes Wasser, um die Meere um
zwölf
Meter anschwellen zu lassen.
Der Meeresspiegel ist jedoch nur
eines von vielen Problemen. Ein anderes ist, daß extreme
Hitzesommer,
wie in West- und Mitteleuropa 2003, in einer wärmeren Welt
wesentlich
wahrscheinlicher werden. Seinerzeit starben rund 30000 Menschen infolge
der Hitze. Einige der großen Flüsse mußten für
den Schiffsverkehr
gesperrt und Kraftwerke abgeschaltet werden, weil sie nicht mehr genug
Kühlwasser hatten. Im ganz Mittelmeerraum droht eine
überdurchschnittliche Erwärmung bei gleichzeitiger zum Teil
drastischer
Abnahme der Niederschläge. Für einige hundert Millionen
Menschen wird
damit die Wasserversorgung gefährdet.
Generell werden in
vielen Teilen der Erde die Menschen unter einer größeren
Häufigkeit von
Extremereignissen zu leiden haben. Dabei können sich durchaus
Dürren
und zerstörerische Niederschläge ablösen, wie es
insbesondere am Horn
von Afrika erwartet wird. Einige Klimawissenschaftler fordern als eine
Konsequenz aus diesen Erkenntnissen, daß der Bau neuer
Kohlekraftwerke,
wie er insbesondere in Deutschland geplant ist, gestoppt werden
muß.
Die Bundesregierung unterstützt hingegen tatkräftig die
Stromkonzerne
in ihren entsprechenden Vorhaben.
Der neueste IPCC-Bericht wurde
auch erstellt, um der nächsten UN-Klimakonferenz eine
wissenschaftliche
Grundlage zu bieten. Vom 3. bis zum 14. Dezember werden sich im
indonesischen Bali die Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention
und des Kyoto-Protokolls treffen, um über internationalen
Klimaschutz
zu beraten. Dem Abkommen gehören nahezu alle UN-Mitglieder an, die
sich
damit generell darauf verpflichtet haben, einen
»gefährlichen
Klimawandel zu verhindern«, wie es im Vertragstext heißt.
Das
Kyoto-Protokoll hat erstmalig für Industriestaaten eine
Verminderung
der Treibhausgasemissionen vorgeschrieben und wurde bisher von 176
Staaten ratifiziert, darunter nahezu alle Entwicklungsländer,
jedoch
weder die USA und Australien noch die EU-Beitrittskandidaten Kroatien
und Türkei. Da das Kyoto-Protokoll bereits 2012 ausläuft,
muß auf der
Konferenz in Bali unbedingt ein Verhandlungsfahrplan für ein
Nachfolgeabkommen verabschiedet werden. Für die Verhandlung des
Kyoto-Protokolls hatte man seinerzeit über zwei Jahre gebraucht,
und in
Kraft trat es erst sechseinhalb Jahre nach der Unterzeichnung, weil
sich einige Industriestaaten, darunter vor allem Rußland aber
auch die
EU, reichlich Zeit mit der Ratifizierung ließen.
Aus Anlaß der
Bali-Konferenz ist auf dem diesjährigen Weltsozialforum in Nairobi
ein
globaler Aktionstag für den 8. Dezember beschlossen worden. In
möglichst vielen Städten in aller Welt soll an diesem Tag
für einen
effektiven und schnellen Klimaschutz demonstriert werden. In
Deutschland sind zwei zentrale Demonstration geplant: in Berlin und
Neurath, wo derzeit das größte Kohlekraftwerk Europas gebaut
wird.
Außerdem rufen Greenpeace, der Bund für Umwelt und
Naturschutz sowie
einige andere für diesen Tag zu einer symbolischen Aktion
»Licht aus!
Für unser Klima.« auf. Um 20 Uhr sollen fünf Minuten
lang im ganzen
Land die Lichter ausgehen. An der Aktion beteiligen sich auch eine
große Boulevardzeitung und einige Privatsender, die ansonsten
gerne
Werbung für dicke Autos und unbegrenztes Rasen machen. Die
Umweltschutzorganisationen müssen sich angesichts dieser Heuchelei
fragen lassen, was sie mit derartigen Bündnispartnern erreichen
wollen.