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19.11.2007 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Hitze, Dürren, Unwetter

Weltklimarat buchstabierte Politikern die Folgen der fossilen Wirtschaft

Von Wolfgang Pomrehn

Uns bleiben noch acht Jahre, dann muß der weitere Anstieg der Treibhausgasemissionen endlich aufgehalten sein. Danach müßte der Ausstoß rasch sinken, sollen noch die schlimmsten Folgen des Klimawandels verhindert werden. Bis zur Mitte des Jahrhunderts müßte die Wirtschaft weitgehend auf Energiequellen umgestellt sein, die ohne die Verbrennung fossiler Brennstoffe auskommen, bei der das klimaschädigende Kohlendioxid (CO2) freigesetzt wird. So steht es im jüngsten Bericht des UN-Klimarates IPCC, des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimawandel, so der offizielle Name. Vergangene Woche hatte das Gremium, in dem mehr als 2500 Wissenschaftler aus 130 Ländern mitarbeiten, im spanischen Valencia getagt, um aus den mehreren tausend Seiten seines neuesten Sachstandsberichts eine handliche Zusammenfassung für Politiker zu machen.

Und die hat es in sich: Um bis zu 6,4 Grad könnte sich im globalen Mittel das Klima bis zum Ende des Jahrhunderts erwärmen. Das würde die Erde weit über alles hinaus führen, was sie in den letzten 1,2 Millionen Jahren erlebt hat. Seit etwa dieser Zeit sind beide Pole vereist, womit die Erde in einen Zyklus sich abwechselnder Kalt- und Warmzeiten eintrat. Die meisten Wissenschaftler halten eine Erhöhung der mittleren globalen Temperatur um zwei Grad für die Grenze, die gerade noch verträglich ist. Doch selbst dann werden die Wärmeausdehnung der Ozeane und das Schmelzwasser von den Gletschern Grönlands und der Westantarktis den Meeresspiegel noch Jahrhunderte weiter steigen lassen. Je weniger gegen Treibhausgasemissionen getan wird, desto rascher und drastischer wird dieser Anstieg ausfallen. Insgesamt steckt in den beiden Eismassen genug gefrorenes Wasser, um die Meere um zwölf Meter anschwellen zu lassen.

Der Meeresspiegel ist jedoch nur eines von vielen Problemen. Ein anderes ist, daß extreme Hitzesommer, wie in West- und Mitteleuropa 2003, in einer wärmeren Welt wesentlich wahrscheinlicher werden. Seinerzeit starben rund 30000 Menschen infolge der Hitze. Einige der großen Flüsse mußten für den Schiffsverkehr gesperrt und Kraftwerke abgeschaltet werden, weil sie nicht mehr genug Kühlwasser hatten. Im ganz Mittelmeerraum droht eine überdurchschnittliche Erwärmung bei gleichzeitiger zum Teil drastischer Abnahme der Niederschläge. Für einige hundert Millionen Menschen wird damit die Wasserversorgung gefährdet.

Generell werden in vielen Teilen der Erde die Menschen unter einer größeren Häufigkeit von Extremereignissen zu leiden haben. Dabei können sich durchaus Dürren und zerstörerische Niederschläge ablösen, wie es insbesondere am Horn von Afrika erwartet wird. Einige Klimawissenschaftler fordern als eine Konsequenz aus diesen Erkenntnissen, daß der Bau neuer Kohlekraftwerke, wie er insbesondere in Deutschland geplant ist, gestoppt werden muß. Die Bundesregierung unterstützt hingegen tatkräftig die Stromkonzerne in ihren entsprechenden Vorhaben.

Der neueste IPCC-Bericht wurde auch erstellt, um der nächsten UN-Klimakonferenz eine wissenschaftliche Grundlage zu bieten. Vom 3. bis zum 14. Dezember werden sich im indonesischen Bali die Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention und des Kyoto-Protokolls treffen, um über internationalen Klimaschutz zu beraten. Dem Abkommen gehören nahezu alle UN-Mitglieder an, die sich damit generell darauf verpflichtet haben, einen »gefährlichen Klimawandel zu verhindern«, wie es im Vertragstext heißt. Das Kyoto-Protokoll hat erstmalig für Industriestaaten eine Verminderung der Treibhausgasemissionen vorgeschrieben und wurde bisher von 176 Staaten ratifiziert, darunter nahezu alle Entwicklungsländer, jedoch weder die USA und Australien noch die EU-Beitrittskandidaten Kroatien und Türkei. Da das Kyoto-Protokoll bereits 2012 ausläuft, muß auf der Konferenz in Bali unbedingt ein Verhandlungsfahrplan für ein Nachfolgeabkommen verabschiedet werden. Für die Verhandlung des Kyoto-Protokolls hatte man seinerzeit über zwei Jahre gebraucht, und in Kraft trat es erst sechseinhalb Jahre nach der Unterzeichnung, weil sich einige Industriestaaten, darunter vor allem Rußland aber auch die EU, reichlich Zeit mit der Ratifizierung ließen.

Aus Anlaß der Bali-Konferenz ist auf dem diesjährigen Weltsozialforum in Nairobi ein globaler Aktionstag für den 8. Dezember beschlossen worden. In möglichst vielen Städten in aller Welt soll an diesem Tag für einen effektiven und schnellen Klimaschutz demonstriert werden. In Deutschland sind zwei zentrale Demonstration geplant: in Berlin und Neurath, wo derzeit das größte Kohlekraftwerk Europas gebaut wird. Außerdem rufen Greenpeace, der Bund für Umwelt und Naturschutz sowie einige andere für diesen Tag zu einer symbolischen Aktion »Licht aus! Für unser Klima.« auf. Um 20 Uhr sollen fünf Minuten lang im ganzen Land die Lichter ausgehen. An der Aktion beteiligen sich auch eine große Boulevardzeitung und einige Privatsender, die ansonsten gerne Werbung für dicke Autos und unbegrenztes Rasen machen. Die Umweltschutzorganisationen müssen sich angesichts dieser Heuchelei fragen lassen, was sie mit derartigen Bündnispartnern erreichen wollen.