Es ist schon erstaunlich, wie sehr öffentliche Wahrnehmung und
Realität
mitunter auseinander- klaffen können. Seit Helmut Kohl sich Ende
der
1980er Jahre zum großen Klimavorkämpfer aufschwang
vermitteln die
hiesigen Medien weitgehend unisono den Eindruck, die diversen
Bundesregierungen seien in Sachen Klimapolitik aktiv und würden
sich
auf der internationalen Bühne für wirksame Maßnahmen
stark machen.
Die
Wirklichkeit sieht allerdings etwas anders aus: Im Sommer 1990
verkündete Kohl – damals noch Bundeskanzler Westdeutschlands
– man
werde bis zum Jahre 2005 die CO2-Emissionen um 25 Prozent reduzieren.
Tatsächlich geschafft wurden jedoch nur 17,7 Prozent,
gegenwärtig sind
es 18,4 Prozent weniger als 1990. Der ganz überwiegende Teil
dieser
Minderung wurde allerdings nicht durch gezielte
Klimaschutzmaßnahmen,
sondern durch den Anschluß der DDR und die damit verbundene
Deindustrialisierung Ostdeutschlands erreicht. In Westdeutschland,
für
das Kohl streng genommen seinerzeit sein unverbindliches Versprechen
abgab, sind indes kaum Emissionen verringert worden.
Sinnigerweise
hat man nach 1996 die bis dahin für beide Teile der Republik
getrennte
Statistik zusammengelegt. Daher gibt es heute keine
verläßlichen
Angaben mehr, die diesen Widerspruch verdeutlichen würden. Ein
Vergleich mit den alten Zahlen hilft jedoch weiter: Von 1990 bis 1996
waren die jährlichen gesamtdeutschen CO2-Emissionen von 1003
Millionen
auf 892 Millionen Tonnen abgesunken. In Ostdeutschland hatten sich in
diesem Zeitraum die Emissionen halbiert, während sie im Westen
sogar
leicht angestiegen waren. Derzeit bewegen sich die jährlichen
CO2-Emissionen um die 870 Millionen Tonnen, das heißt, in den
letzten
zehn Jahren gab es kaum eine nennenswerte Veränderung.
Das
Stagnieren der CO2-Emissionen auf hohem Niveau trotz eines ansehnlichen
Fortschritts beim klimafreundlichen Windstrom hat vor allem zwei
Gründe: Zum einen wird in Deutschland ein erheblicher Teil des
Stroms
noch immer in kohlebefeuerten Großkraftwerken gewonnen, die den
Brennstoff nur ungenügend ausnutzen. Zum anderen nimmt auf den
Straßen
der energieintensive PKW- und LKW-Verkehr unaufhaltsam zu. Mit beiden
Aspekten sind mächtige wirtschaftliche Interessen verbunden, denen
sich
die Bundesregierung trotz aller Klimaschutzrhetorik unterordnet.
So
hat Bundeskanzlerin Angela Merkel sich ausdrücklich hinter die
Kampagne
der deutschen Autoindustrie gegen eine Verschärfung der
CO2-Abgasnormen
für PKW gestellt. Aufgrund deutschen Drucks wurde das
entsprechende
EU-Ziel Anfang des Jahres deutlich verwässert. Fürs Klima
noch fataler
ist die bedingungslose Unterstützung des Baus neuer
Kohlekraftwerke,
die die großen Stromkonzerne nicht nur vom Wirtschafts-, sondern
auch
vom Umweltminister erhalten.
Nach unterschiedlichen Zählungen
sind 25 bis 28 Kraftwerke geplant, die mit Braun- bzw. Steinkohle
betrieben werden sollen, und die in den nächsten 40 Jahren
jährlich 130
bis 170 Millionen Tonnen CO2 emittieren würden. Zum Vergleich:
Wenn die
CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht weiter erhöht
werden soll,
dann stünden den 82 Millionen Deutschen jährlich nur
Emissionen von 160
Millionen Tonnen zu. Derzeit sind es etwa 980 Millionen Tonnen, etwa
870 Millionen Tonnen in Form von CO2, der Rest in anderen
Treibhausgasen, die in CO2-Äquivalente umgerechnet werden.
Zum
Glück regt sich im ganzen Land Widerstand gegen die
Kohlepläne. In
Bremen, Bielefeld und zuletzt auch im saarländischen Ensdorf haben
die
Stromkonzerne bereits eine Abfuhr erhalten. Für die vielen
örtlichen
Initiativen, die sich in den letzten Monaten an den meisten der
geplanten Standorte gebildet haben, ist das eine Ermutigung zum
Weitermachen.
* Vom Autor ist kürzlich im PapyRossa-Verlag das Buch
»Heiße Zeiten –Wie der Klimawandel gestoppt werden
kann« erschienen.