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03.12.2007 / Schwerpunkt / Seite 3

Im Griff von Auto- und Kohlelobby

Die Bundesregierung redet viel vom Klimaschutz, doch in der Praxis werden die umweltzerstörenden Interessen der Industrie bedient

Von Wolfgang Pomrehn
Es ist schon erstaunlich, wie sehr öffentliche Wahrnehmung und Realität mitunter auseinander- klaffen können. Seit Helmut Kohl sich Ende der 1980er Jahre zum großen Klimavorkämpfer aufschwang vermitteln die hiesigen Medien weitgehend unisono den Eindruck, die diversen Bundesregierungen seien in Sachen Klimapolitik aktiv und würden sich auf der internationalen Bühne für wirksame Maßnahmen stark machen.

Die Wirklichkeit sieht allerdings etwas anders aus: Im Sommer 1990 verkündete Kohl – damals noch Bundeskanzler Westdeutschlands – man werde bis zum Jahre 2005 die CO2-Emissionen um 25 Prozent reduzieren. Tatsächlich geschafft wurden jedoch nur 17,7 Prozent, gegenwärtig sind es 18,4 Prozent weniger als 1990. Der ganz überwiegende Teil dieser Minderung wurde allerdings nicht durch gezielte Klimaschutzmaßnahmen, sondern durch den Anschluß der DDR und die damit verbundene Deindustrialisierung Ostdeutschlands erreicht. In Westdeutschland, für das Kohl streng genommen seinerzeit sein unverbindliches Versprechen abgab, sind indes kaum Emissionen verringert worden.

Sinnigerweise hat man nach 1996 die bis dahin für beide Teile der Republik getrennte Statistik zusammengelegt. Daher gibt es heute keine verläßlichen Angaben mehr, die diesen Widerspruch verdeutlichen würden. Ein Vergleich mit den alten Zahlen hilft jedoch weiter: Von 1990 bis 1996 waren die jährlichen gesamtdeutschen CO2-Emissionen von 1003 Millionen auf 892 Millionen Tonnen abgesunken. In Ostdeutschland hatten sich in diesem Zeitraum die Emissionen halbiert, während sie im Westen sogar leicht angestiegen waren. Derzeit bewegen sich die jährlichen CO2-Emissionen um die 870 Millionen Tonnen, das heißt, in den letzten zehn Jahren gab es kaum eine nennenswerte Veränderung.

Das Stagnieren der CO2-Emissionen auf hohem Niveau trotz eines ansehnlichen Fortschritts beim klimafreundlichen Windstrom hat vor allem zwei Gründe: Zum einen wird in Deutschland ein erheblicher Teil des Stroms noch immer in kohlebefeuerten Großkraftwerken gewonnen, die den Brennstoff nur ungenügend ausnutzen. Zum anderen nimmt auf den Straßen der energieintensive PKW- und LKW-Verkehr unaufhaltsam zu. Mit beiden Aspekten sind mächtige wirtschaftliche Interessen verbunden, denen sich die Bundesregierung trotz aller Klimaschutzrhetorik unterordnet.

So hat Bundeskanzlerin Angela Merkel sich ausdrücklich hinter die Kampagne der deutschen Autoindustrie gegen eine Verschärfung der CO2-Abgasnormen für PKW gestellt. Aufgrund deutschen Drucks wurde das entsprechende EU-Ziel Anfang des Jahres deutlich verwässert. Fürs Klima noch fataler ist die bedingungslose Unterstützung des Baus neuer Kohlekraftwerke, die die großen Stromkonzerne nicht nur vom Wirtschafts-, sondern auch vom Umweltminister erhalten.

Nach unterschiedlichen Zählungen sind 25 bis 28 Kraftwerke geplant, die mit Braun- bzw. Steinkohle betrieben werden sollen, und die in den nächsten 40 Jahren jährlich 130 bis 170 Millionen Tonnen CO2 emittieren würden. Zum Vergleich: Wenn die CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht weiter erhöht werden soll, dann stünden den 82 Millionen Deutschen jährlich nur Emissionen von 160 Millionen Tonnen zu. Derzeit sind es etwa 980 Millionen Tonnen, etwa 870 Millionen Tonnen in Form von CO2, der Rest in anderen Treibhausgasen, die in CO2-Äquivalente umgerechnet werden.

Zum Glück regt sich im ganzen Land Widerstand gegen die Kohlepläne. In Bremen, Bielefeld und zuletzt auch im saarländischen Ensdorf haben die Stromkonzerne bereits eine Abfuhr erhalten. Für die vielen örtlichen Initiativen, die sich in den letzten Monaten an den meisten der geplanten Standorte gebildet haben, ist das eine Ermutigung zum Weitermachen.

* Vom Autor ist kürzlich im PapyRossa-Verlag das Buch »Heiße Zeiten –Wie der Klimawandel gestoppt werden kann« erschienen.