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15.12.2007 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Bali: Keine Entwarnung

Zähes Ringen um konkrete Zielmarken für CO2-Reduzierung beim UN-Klimagipfel. USA weitgehend isoliert. Kritik von Umweltschützern

Von Wolfgang Pomrehn

Same procedure as every year?« ist man versucht, angesichts der UN-Klimaverhandlungen auf Bali zu fragen. Die US-Delegation hat mal wieder gebremst, wo sie nur konnte, und die US-amerikanischen und westeuropäischen Umwelt-NGOs konnten kräftig auf ihren Lieblingsfeind eindreschen. Verbal, versteht sich, Torten flogen diesmal nicht. Und wie immer war ein Nebeneffekt dieser Lobbystrategie verhinderter Umweltdiplomaten, daß andere, vor allem die EU und ihre Mitgliedsländer, in einem viel besseren Lichte erscheinen, als sie es verdient haben. Das Ärgerliche an diesem Spielchen ist, daß es auf die Berichterstattung hiesiger Medien abfärbt.

Und doch war in diesem Jahr manches anders. Nachdem in Australien kurz vor dem Bali-Treffen die konservative Regierung abgewählt wurde, stand die Bush-Administration reichlich vereinsamt auf dem diplomatischen Parkett herum. Nur Kanada, Japan, Rußland und einige Öl-Oligarchien aus dem Nahen Osten beteiligen sich noch an der Obstruktionspolitik. Als die US-Delegation am Donnerstag morgen im Plenum den Vorschlag machte, das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll ganz in der Versenkung verschwinden zu lassen, reagierten die übrigen Staaten mit eisigem Schweigen. Die große Mehrheit der Staaten will eine Fortschreibung des Protokolls.

Allianz der Bremser

Eine der wichtigen Fragen, die bei Redaktionsschluß noch nicht geklärt war, lautete, ob bereits in der Bali-Abschlußerklärung eine konkrete Zahl genannt wird, die die Industriestaaten bis 2020 mit der Reduktion ihrer Treibhausgase erreichen müssen. In einem Entwurf des Sekretariats der UN-Klimarahmenkonvention war die Rede von 25 bis 40 Prozent des Emissionsniveaus von 1990, um die der Ausstoß von Kohlendioxid & Co. bis 2020 in den Industriestaaten vermindert werden muß. Dagegen hatte sich aus der unheiligen Allianz der Bremser heftiger Protest erhoben.

Freitag mittag hieß es aus Bali, es würde sich ein Kompromiß abzeichnen. Verhandelt wurde nun über einen Kompromißvorschlag der indonesischen Gastgeber, in dem es hieß, daß die Treibhausgasemissionen weltweit in zehn bis 15 Jahren ihren Höhepunkt überschreiten und danach zurückgehen müssen. Bis 2050 soll eine Halbierung des weltweiten Ausstoßes erreicht sein. Ein konkretes Emissionsziel für die Industriestaaten bis zum Jahr 2020 war in dem Entwurf nicht vorgesehen. Bei China und einigen anderen Schwellenländern gab es allerdings starke Vorbehalte gegen einen Text ohne deutliche Vorgaben für die Industriestaaten.

Der Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Gerhard Timm, der in Bali die Verhandlungen beobachtet, meinte dazu: »Wenn der Bali-Fahrplan keine Zielmarken hat, werden wir nicht wissen, wohin die Klimaschutzverhandlungen führen sollen und wann wir dort ankommen. Es reicht nicht, ein vages Ziel für die Mitte dieses Jahrhunderts festzulegen. Die Industriestaaten müssen bis 2020 ihre Emissionen um 40 Prozent reduziert haben und für die Schäden aufkommen, die der Klimawandel in den Entwicklungsländern anrichtet.«

Mit letzterem spricht er einen anderen der sensiblen Punkte an. Nach rund 15 Jahren Verhandlungen ist es in Bali aufgrund einer chinesischen Initiative endlich gelungen, einen sogenannten Anpassungsfonds einzurichten. Aus diesem sollen in den Entwicklungsländern Maßnahmen zur Anpassung von Landwirtschaft, Industrie und Infrastruktur an den Klimawandel finanziert werden, soweit er nicht mehr zu verhindern ist. 50 bis 80 Milliarden US-Dollar wären dafür schon jetzt notwendig, haben verschiedene Entwicklungsorganisationen und das UN-Umweltprogramm UNEP ermittelt. Doch ausgestattet wurde der Fonds nur mit einigen hundert Millionen US-Dollar.

Kaum Technologietransfer

Noch weniger Fortschritt gab es beim Technologietransfer, der ebenfalls bereits in der 1993 verabschiedeten UN-Klimaschutzrahmenkonvention vorgesehen ist, aber bisher nie richtig in Gang kam. Nach einem Bericht des Sekretariats der Konvention vom letzten Sommer werden in den nächsten Jahrzehnten in den Entwicklungsländern zusätzliche Investitionen in Höhe von 200 bis 210 Milliarden US-Dollar notwendig sein, wenn die globalen Treibhausgasemissionen auch nur auf das heutige Niveau zurückgeführt werden sollen. Die Entwicklungsländer fordern seit vielen Jahren, daß die Industriestaaten »saubere« Technologie zur Verfügung stellen müssen, und in der Tat ist diese Verpflichtung bereits vor 14 Jahren vertraglich fixiert worden. Die Begründung liegt in der Tatsache, daß die reichen Länder zum einen die wesentlich größeren Ressourcen und zum anderen ihren wirtschaftlichen Vorsprung nicht zuletzt auf Kosten des globalen Klimas erkauft haben. Der bisherige Anstieg der Treib-hausgaskonzentration in der Atmosphäre geht nämlich nahezu ausschließlich auf das Konto ihrer mit Kohle und Öl befeuerten Industrialisierung.



Vom Autor ist kürzlich im Verlag PapyRossa das Buch »Heiße Zeiten – Wie der Klimawandel gestoppt werden kann« erschienen.