Same procedure as every year?« ist man versucht, angesichts der
UN-Klimaverhandlungen auf Bali zu fragen. Die US-Delegation hat mal
wieder gebremst, wo sie nur konnte, und die US-amerikanischen und
westeuropäischen Umwelt-NGOs konnten kräftig auf ihren
Lieblingsfeind
eindreschen. Verbal, versteht sich, Torten flogen diesmal nicht. Und
wie immer war ein Nebeneffekt dieser Lobbystrategie verhinderter
Umweltdiplomaten, daß andere, vor allem die EU und ihre
Mitgliedsländer, in einem viel besseren Lichte erscheinen, als sie
es
verdient haben. Das Ärgerliche an diesem Spielchen ist, daß
es auf die
Berichterstattung hiesiger Medien abfärbt.
Und
doch war in diesem Jahr manches anders. Nachdem in Australien kurz vor
dem Bali-Treffen die konservative Regierung abgewählt wurde, stand
die
Bush-Administration reichlich vereinsamt auf dem diplomatischen Parkett
herum. Nur Kanada, Japan, Rußland und einige Öl-Oligarchien
aus dem
Nahen Osten beteiligen sich noch an der Obstruktionspolitik. Als die
US-Delegation am Donnerstag morgen im Plenum den Vorschlag machte, das
2012 auslaufende Kyoto-Protokoll ganz in der Versenkung verschwinden zu
lassen, reagierten die übrigen Staaten mit eisigem Schweigen. Die
große
Mehrheit der Staaten will eine Fortschreibung des Protokolls.
Allianz der Bremser
Eine der wichtigen Fragen, die bei
Redaktionsschluß noch nicht geklärt war, lautete, ob bereits
in der
Bali-Abschlußerklärung eine konkrete Zahl genannt wird, die
die
Industriestaaten bis 2020 mit der Reduktion ihrer Treibhausgase
erreichen müssen. In einem Entwurf des Sekretariats der
UN-Klimarahmenkonvention war die Rede von 25 bis 40 Prozent des
Emissionsniveaus von 1990, um die der Ausstoß von Kohlendioxid
&
Co. bis 2020 in den Industriestaaten vermindert werden muß.
Dagegen
hatte sich aus der unheiligen Allianz der Bremser heftiger Protest
erhoben.
Freitag
mittag hieß es aus Bali, es würde sich ein Kompromiß
abzeichnen.
Verhandelt wurde nun über einen Kompromißvorschlag der
indonesischen
Gastgeber, in dem es hieß, daß die Treibhausgasemissionen
weltweit in
zehn bis 15 Jahren ihren Höhepunkt überschreiten und danach
zurückgehen
müssen. Bis 2050 soll eine Halbierung des weltweiten
Ausstoßes erreicht
sein. Ein konkretes Emissionsziel für die Industriestaaten bis zum
Jahr
2020 war in dem Entwurf nicht vorgesehen. Bei China und einigen anderen
Schwellenländern gab es allerdings starke Vorbehalte gegen einen
Text
ohne deutliche Vorgaben für die Industriestaaten.
Der
Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND),
Gerhard Timm, der in Bali die Verhandlungen beobachtet, meinte dazu:
»Wenn der Bali-Fahrplan keine Zielmarken hat, werden wir nicht
wissen,
wohin die Klimaschutzverhandlungen führen sollen und wann wir dort
ankommen. Es reicht nicht, ein vages Ziel für die Mitte dieses
Jahrhunderts festzulegen. Die Industriestaaten müssen bis 2020
ihre
Emissionen um 40 Prozent reduziert haben und für die Schäden
aufkommen,
die der Klimawandel in den Entwicklungsländern anrichtet.«
Mit
letzterem spricht er einen anderen der sensiblen Punkte an. Nach rund
15 Jahren Verhandlungen ist es in Bali aufgrund einer chinesischen
Initiative endlich gelungen, einen sogenannten Anpassungsfonds
einzurichten. Aus diesem sollen in den Entwicklungsländern
Maßnahmen
zur Anpassung von Landwirtschaft, Industrie und Infrastruktur an den
Klimawandel finanziert werden, soweit er nicht mehr zu verhindern ist.
50 bis 80 Milliarden US-Dollar wären dafür schon jetzt
notwendig, haben
verschiedene Entwicklungsorganisationen und das UN-Umweltprogramm UNEP
ermittelt. Doch ausgestattet wurde der Fonds nur mit einigen hundert
Millionen US-Dollar.
Kaum Technologietransfer
Noch weniger Fortschritt gab es beim
Technologietransfer, der ebenfalls bereits in der 1993 verabschiedeten
UN-Klimaschutzrahmenkonvention vorgesehen ist, aber bisher nie richtig
in Gang kam. Nach einem Bericht des Sekretariats der Konvention vom
letzten Sommer werden in den nächsten Jahrzehnten in den
Entwicklungsländern zusätzliche Investitionen in Höhe
von 200 bis 210
Milliarden US-Dollar notwendig sein, wenn die globalen
Treibhausgasemissionen auch nur auf das heutige Niveau
zurückgeführt
werden sollen. Die Entwicklungsländer fordern seit vielen Jahren,
daß
die Industriestaaten »saubere« Technologie zur
Verfügung stellen
müssen, und in der Tat ist diese Verpflichtung bereits vor 14
Jahren
vertraglich fixiert worden. Die Begründung liegt in der Tatsache,
daß
die reichen Länder zum einen die wesentlich größeren
Ressourcen und zum
anderen ihren wirtschaftlichen Vorsprung nicht zuletzt auf Kosten des
globalen Klimas erkauft haben. Der bisherige Anstieg der
Treib-hausgaskonzentration in der Atmosphäre geht nämlich
nahezu
ausschließlich auf das Konto ihrer mit Kohle und Öl
befeuerten
Industrialisierung.
Vom Autor ist kürzlich im Verlag PapyRossa das Buch
»Heiße Zeiten – Wie der Klimawandel gestoppt werden
kann« erschienen.