Institut für
Wirtschaftsforschung: Trotz deur Zunahme klimabedingter
Naturkatastrophen werden mehr Treibhausgase in die Luft geblasen
Wolfgang
Pomrehn
Die
Treibhausgasemissionen nehmen weiter zu. Das geht aus einem jüngst
veröffentlichten Bericht des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. Trotz Hitzerekrekorden und
zerstörerischen Hurrikanen wird es in vielen Ländern immer
unwahrscheinlicher, daß das Reduktionsziel des Kyoto-Protokolls
erreicht wird. In den Jahren 2008 bis 2012 sollen die Industriestaaten
ihre Emissionen gegenüber dem Basisjahr 1990 um durchschnittlich
fünf
Prozent reduziert haben. Tatsächlich ist im vergangenen Jahr aber
der
Ausstoß dieser Ländergruppe leicht gestiegen.
Die
Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und einige andere wirken in der
Erdatmosphäre isolierend, das heißt, sie sorgen dafür,
daß die
Wärmestrahlung der Erdoberfläche nicht ohne weiteres ins
Weltall
entweichen kann. Je höher die Konzentration dieser Gase in den
unteren
Luftschichten, desto mehr der einfallenden Sonnenenergie wird im Klimasystem
gespeichert, und desto wärmer wird es im globalem Mittel auf der
Erde.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich das globale Klima bereits um 0,9 Grad
Celsius erwärmt, 0,6 Grad sind allein in letzten 30 Jahren
hinzugekommen.
EU verfehlt
Kyoto-Ziel
Bereits seit
rund 15 Jahren sind sich die meisten Staaten einig, daß im
Prinzip etwas gegen den drohenden Klimawandel
getan werden muß. 1997 wurden die Vorstellungen mit dem
sogenannten
Kyoto-Protokoll etwas konkretisiert, doch einer der Hauptverursacher,
die USA, auf deren Konto allein rund 20 Prozent der weltweiten
Emissionen gehen, weigert sich beharrlich, den Vertrag zu ratifizieren.
Auch
die EU ist allerdings weit davon entfernt, ihren Verpflichtungen
nachzukommen. In der EU-15, das heißt den älteren
Mitgliedern, die in
Kyoto eine gemeinsame Verpflichtung von insgesamt acht Prozent
Reduktion eingegangen waren, sind die Emissionen 2005 zwar leicht
rückläufig gewesen. Nach DIW-Angaben liegen sie aber noch
immer gut
vier Prozent über dem Wert von 1990. Mit anderen Worten: Die
EU-15-Staaten sind noch zwölf Prozentpunkte von ihrem Ziel
entfernt.
Seinerzeit hatten sie sich darauf geeinigt, die Last untereinander
ungleichmäßig aufzuteilen. Vor allem
südeuropäischen Ländern wurde eine
zum Teil erhebliche Emissionssteigerung zugestanden, während
andere,
darunter Deutschland, um so stärker reduzieren wollten.
Während es nach
den Zahlen des DIW wider Erwarten so aussieht, als ob Deutschland
tatsächlich sein Ziel erreichen könnte, sind andere
Länder wie Spanien,
Portugal, Luxemburg und Österreich weit vom Ziel entfernt. Im
Falle
Luxemburgs liegt das aber unter anderem auch am Tanktourismus der
Nachbarn.
Stark
angestiegen sind auch die Emissionen des
internationalen Schiff- und Luftverkehrs sowie vermutlich des
Militärs,
die bisher nicht von den Klimaschutzverträgen
erfaßt werden. Über den militärischen Bereich gibt es
nicht einmal eine
Informationspflicht, und bei den Emissionen aus dem internationalen
Verkehr konnten man sich bisher nicht einigen, wie sie den einzelnen
Staaten zuzuordnen sind.
China weit hinten
Musterknaben
wider Willen sind hingegen
die Länder Osteuropas. Dort sind zwar in den letzten Jahren die
Treibhausgasemissionen wieder angestiegen. Aufgrund des
wirtschaftlichen Zerfalls nach 1990 liegen sie allerdings noch immer
weit unter dem Niveau des Referenzjahres. Angestiegen sind hingegen die
Emissionen der Entwicklungsländer. Entsprechend werden hierzulande
und
in anderen Industriestaaten Rufe laut, auch Länder wie China und
Indien
müßten Reduktionsverpflichtungen übernehmen. Dabei wird
gern übersehen,
daß dort die Emissionen im Vergleich zu hiesigen
Verhältnissen noch
immer minimal sind. Im Jahre 2000 betrugen die jährlichen
Pro-Kopf-CO2-Emissionen in den USA 20,5 Tonnen, in der BRD 10,1, in
China 1,9 und in Indien 1,0 Tonnen.
Verhandlungen
im Schneckentempo
Seit Ende der
1980er Jahre gibt es internationale Verhandlungen über einen
globalen Klimaschutz. 1992 wurde
auf dem UN-Gipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro die
Klimaschutzrahmenkonvention
(UNFCCC) unterzeichnet. Darin verpflichteten sich die Industriestaaten,
ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahre 2000 auf das Niveau von 1990
zu beschränken. Später setzte sich allerdings auf Druck der
USA die
Ansicht durch, daß diese Verpflichtung keinen bindenden Charakter
gehabt hatte. Die meisten westlichen Industriestaaten verfehlten
entsprechend das Ziel. In Osteuropa sorgte der allgemeine
ökonomische
Niedergang für eine Planübererfüllung –
Deutschlands Bilanz wurde durch
die Deindustrialisierung der östlichen Bundesländer
geschönt.
Als
Ziel der Rahmenkonvention wurde seinerzeit formuliert, daß es
darum
gehe, »die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der
Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine
gefährliche
anthropogene Störung des Klimasystems
verhindert wird« (UNFCCC, Artikel 2). Um dieses Ziel ist es
schlecht
bestellt. Die 1997 im japanischen Kyoto verabredeten Reduktionsziele
sind viel zu bescheiden, und die Emissionen nehmen weiter zu. In den
Verhandlungen wurden daher in den vergangenen Jahren zwei neue Ziele
formuliert. Das eine ist die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs
auf zwei Grad Celsius. Selbst das wird schon sehr schwer sein, denn
Temperaturen und Meeresspiegel werden noch Jahrzehnte weiter steigen,
wenn die Emissionen längst auf ein verträgliches Maß
reduziert sind.
Das liegt an der Trägheit des Klimasystems.
Vor allem die Ozeane und die polaren Eisschilde reagieren auf die
Veränderungen in der Atmosphäre nur mit erheblicher
Verzögerung.
Zum
anderen wird in letzter Zeit desöfteren über
Anpassungsstrategien
gesprochen, die geplant und finanziert werden müssen. In einigen
Ländern wie Deutschland beginnen derzeit die ersten
Bestandsaufnahmen
über die zu erwarteten Veränderungen. Herauskommen wird zum
Beispiel,
daß der Hochwasserschutz an den Flüssen und an der Nordsee
dringend
verbessert werden muß, daß die Alpengletscher nahezu
verschwinden
werden, was ernsthafte Folgen für die Wasserwirtschaft im
Südwesten
haben wird, und daß ostdeutsche Landwirte trockenheitsresistente
Sorten
brauchen. Außerdem steht dem Land eine sehr schwierige Diskussion
über
die Rückverlegung der Deiche bevor. Das Wattenmeer in der Nordsee,
eine
der artenreichsten Regionen der Weltmeere, ist mittelfristig vom
Meeresspiegelanstieg bedroht. Dieses für die Fischerei wegen
seiner
hohen Produktivität unverzichtbare Ökosystem wird nur
erhalten bleiben,
wenn sich das Watt in flacheren Zonen neu bilden kann. Die Deiche
müßten also ins Landesinnere verlegt und Land aufgegeben
werden, damit
das Wattenmeer wandern kann. Keine Forderung, mit der sich an der
Küste
Wahlkämpfe gewinnen ließen.
Doch Deutschland
ist ein reiches
Land und kann sich die Anpassungsmaßnahmen und etwaige
Ernteausfälle
ohne weiteres leisten. In vielen Entwicklungsländern sieht die
Lage
hingegen ganz anders aus. Dort werden die Umweltveränderungen oft
viel
gravierender sein, während die Mittel, ihrer Herr zu werden,
minimal
sind. Am schwersten wird es einige Inselstaaten im südlichen
Pazifik
und eventuell auch im indischen Ozean treffen. Manche von ihnen liegen
nur wenige Meter über dem Meeresspiegel. Sie könnten in den
nächsten
Jahrzehnten also schlicht untergehen. Aber nicht nur der steigende
Meeresspiegel gefährdet sie. Die zunehmenden und
gewalttätiger
werdenden Stürme drohen sie zu verwüsten. Solche Stürme
können dazu
führen, daß Meerwasser in die natürlichen
Trinkwasserreservoirs
eindringt und die Inseln so unbewohnbar machen.
Jan Kowalzig,
Leiter der Klimakampagne
der internationalen Umweltschutzorganisation »Friends of the
Earth«,
meint dazu: »Die Ärmsten der Armen werden zuerst und am
härtesten
getroffen, obwohl sie am wenigsten zu den Ursachen beigetragen
haben.«
Seine Organisation fordert daher von der Europäischen Union nicht
nur,
daß sie ihre Treibhausgase wesentlich stärker reduziert,
sondern daß
sie den Entwicklungsländern bei der Anpassung hilft. Lateinamerika
habe
in den letzten 50 Jahren bloß vier Prozent zu den
Treibhausgasemissionen beigetragen, die EU hingegen 22 Prozent.
»Der
Verschmutzer muß zahlen«, meint Kowalzig. Weniger als 300
Millionen
Euro pro Jahr würde bisher von der EU zur Verfügung gestellt,
aber die
realen Kosten würden in den nächsten 20 Jahren tausendmal
höher sein.