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21.12.2009,  junge Welt

Nicht nachlassen

Nach dem Klima-Gipfel in Kopenhagen

Von Wolfgang Pomrehn
Klimaverhandlungen und Klimaschutz sind zähe, vielschichtige und langwierige Prozesse. Daher wäre es unsinnig, mit dem Scheitern der Kopenhagener Konferenz Endzeitstimmung aufkommen zu lassen. Die Verhandlungen werden weitergehen, und es ließen sich sogar mit einigem guten Willen Gründe anführen, die zeigen, daß das Glas halbvoll und keineswegs halbleer ist: Immerhin ist erstmals in einem UN-Dokument, wenn auch nicht bindend, davon die Rede, daß die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau gehalten werden soll. Das 1,5-Grad-Ziel, auf dem die kleinen Inselstaaten beharren, findet darüber hinaus zumindest eine vage Erwähnung. Andererseits ist das Kyoto-Protokoll und damit die Arbeit von zehn Jahren erheblich beschädigt. Zu verdanken haben wir das nicht nur dem Vorschuß-Nobelpreisträger Barack Obama, sondern auch der »Klimakanzlerin« Angela Merkel (CDU) und ihren europäischen Kollegen, die teilnahmslos am Rande standen und uns nun weismachen wollen, sie könnten ihre Hände in Unschuld waschen.

Was all das für den Klimaschutz und den Fortgang der Verhandlungen bedeutet, ist offen und hängt vor allen von zwei Dingen ab: Zum einen haben die Schwellenländer eigentlich ein ökonomisches Interesse daran, ihre Industrialisierung von vornherein auf erneuerbaren Energieträgern aufzubauen. Nicht nur der Klimawandel, sondern auch die in den nächsten Jahrzehnten zu erwartende Verknappung von zunächst Erdöl und Uran und später auch Kohle machen Windkraftanlagen, Solarzellen, thermische Sonnenkraftwerke und ähnliches zur Technologie der Zukunft. China und Indien haben keine übermächtigen Öl-, Auto- und Energiekonzerne, die die nationale Politik dominieren. Sie könnten also radikal umsteuern und schon in wenigen Jahren die Industriestaaten auf dem Weltmarkt und auf dem diplomatischen Parkett der Klimaverhandlungen vor sich her treiben. Die ersten Anzeichen, daß es in diese Richtung gehen könnte, waren in Kopenhagen und im Vorfeld des Gipfels auszumachen.

Zum anderen hängt viel von der politischen Entwicklung in den Industriestaaten ab. Können die großen Energiekonzerne weiter den Ausbau der Erneuerbaren verschleppen und statt dessen Kohlekraftwerke in die Landschaft setzen? Hierzulande sind in den letzten Monaten immerhin fünf Kohlekraftwerke verhindert worden. Rund 30 Millionen Tonnen CO2 hätten sie jährlich in die Atmosphäre geblasen, oder drei Prozent der derzeitigen deutschen Emissionen. Das war ein Anfang. Mehr Druck ist nötig, um die Erschließung neuer Braunkohlegruben und den Bau weiterer Kraftwerke zu verhindern. Richtungsweisend war in diesem Zusammenhang am Sonntag die Antwort, die eine Gruppe australischer Umweltschützer auf die Kopenhagener Ergebnisse fand: Sie brachten einen Kohlenzug, der auf dem Weg zum Exporthafen Newcastle in der Nähe von Sydney war, auf offener Strecke zum Stehen und ketteten sich an ihn an. Zur Nachahmung empfohlen.