Das Umweltbundesamt hat das Zuteilungsverfahren für
Kohlendioxidemissionen abgeschlossen. Das Ergebnis ist im wesentlichen
das gewohnte: Stromkonzerne und andere Branchen mit hohem
Treibhausgasausstoß dürfen auch weiter im großen
Umfang kostenlos das
globale Klima belasten.
Die
EU-Staaten hatten sich zu Beginn des Jahrhunderts auf ein System
geeinigt, das den Anhängern des ungezügelten Marktes als
Königsweg im
Klimaschutz gilt: Große Emittenten wie Kraftwerksbetreiber,
Hüttenwerke
oder Zementfabriken erhalten Zertifikate, die zum Ausstoß einer
bestimmten Menge Kohlendioxid emächtigen. Diese sind frei
handelbar.
Damit soll ein ökonomischer Anreiz entstehen, die Emissionen zu
reduzieren. Funktionieren kann das Konzept allerdings – wenn
überhaupt
– nur, wenn die Menge der ausgegebenen Zertifikate knapp gehalten
wird
und stetig abnimmt.
Geringe Reduzierung
Doch da fängt das Problem an. Mit 451,86
Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) im Jahr ist das deutsche Kontingent
für die Industrie in der gerade begonnen Handelsperiode 2008 bis
2012
kaum niedriger, als in der abgelaufenen. Für diese Zeit hatte die
Bundesregierung Zertifikate über 499 Millionen Tonnen
jährlich
ausgegeben, wovon aber nur durchschnittlich 477 Millionen Tonnen
genutzt wurden. Die Bundesregierung, die sich auf der internationalen
Bühne gern als Klimamusterknabe aufspielt, will also in den
nächsten
vier Jahren den CO2-Ausstoß der Industrie um lediglich 5,5
Prozent
senken. Selbst dies hat ihr die EU-Kommission mühselig abringen
müssen.
Hinzu
kommt, daß der größte Teil der Zertifikate verschenkt
wird. 23
Millionen Tonnen werden zunächst als Reserve zurückgehalten,
und die
Rechte für weitere 40 Millionen werden jährlich von der
Bundesregierung
verkauft. Der Rest, Zertifikate für Emissionen von rund 389
Millionen
Tonnen jährlich, wurde an insgesamt 1625 Unternehmen kostenlos
verteilt. Allerdings fallen immerhin die freien Zuteilungen an die
Kraftwerke der Stromwirtschaft deutlich geringer aus als in der ersten
Handelsperiode. Die 40 Millionen Zertifikate, für die künftig
bezahlt
werden muß, stammen fast ausschließlich aus ihrem Topf. Es
könnte also
tatsächlich ein gewisser Druck entstehen, die besonders
CO2-intensiven
Braun- und Steinkohlekraftwerke weniger zu nutzen.
Es sei denn,
es gelingt den Unternehmen, den Preis für die Zertifikate auf die
Verbraucher abzuwälzen. In den vergangenen Jahren haben die
deutschen
Stromkonzerne die Zertifikate als sogenannte Opportunitätskosten
in die
Strompreise eingerechnet. Das ging so: Da die – kostenlos
erhaltenen –
Zertifikate verbraucht wurden und nicht am Markt für etwa 25 Euro
pro
Tonne CO2 verkauft werden konnten, entging den Unternehmen eine
Einnahme. Diese holten sie sich auf dem Wege der Stromrechnung von den
Kunden wieder. Ob diese Rechnung auch in Zukunft aufgehen wird, ist
offen. Immerhin nutzen immer mehr private Stromkunden die
Möglichkeit,
sich ihren Stromanbieter nach Höhe des Strompreises oder auch nach
Umweltgesichtspunkten auszusuchen. Der Spielraum der Anbieter von
Kohlestrom, die Preise nach Belieben festzusetzen, wird also geringer.
Druck auf Strompreis
Die EU-Kommission schlägt in ihrem
Klimaschutzplan unterdessen vor, ab 2013 an die Stromerzeuger die
Zertifikate nur noch zu verkaufen. Auch die anderen betroffenen
Industriebranchen (Papier, Kalk und Zement, Stahl, Glas) sollen sich
einen wachsenden Anteil ersteigern müssen. Die betroffene
Industrie
läuft dagegen Sturm und warnt vor steigenden Strompreisen. Auf den
ersten Blick ist das nachvollziehbar: Die Energiewirtschaft hat im
Jahre 2004 noch 364 Millionen Tonnen CO2 jährlich in die Luft
geblasen.
Nehmen wir an, sie senkt diese auf 300 Millionen Tonnen – was
für das
Klima natürlich vollkommen unzureichend wäre. Dann
entstünden bei einem
Zertifikatspreis von 30 Euro pro Tonne CO2, mit dem derzeit kalkuliert
wird, zusätzliche Kosten von neun Milliarden im Jahr.
Diese
Summe entspricht allerdings noch nicht einmal dem kombinierten Gewinn
der vier großen der deutschen Stromwirtschaft. Außerdem
wäre die
Antwort auf diese politische Situation ziemlich simpel. Statt der etwa
24 neuen Kohlekraftwerke, die bundesweit gebaut werden sollen und die
rund 140 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr emittieren werden, sollte lieber
in CO2-freie Stromerzeugung investiert werden. Die Windenergie hat zum
Beispiel auch in Deutschland noch ein erhebliches Ausbauspotential. In
den süddeutschen Bundesländern haben die dortigen
konservativen und der
Stromindustrie innig verbundenen Landesregierungen bisher den Bau von
Windrädern massiv behindert.
Für die Windenergie müßte
allerdings das derzeit an die zentralisierte Struktur der energetisch
unsinnigen Großkraftwerke angepaßte Netzstruktur umgebaut
werden. Doch
dagegen sperren sich die Stromkonzerne, denen die
Übertragungsnetze
gehören. Die EU-Kommission würde ihnen diese gerne wegnehmen,
doch die
Bundesregierung hat sie bisher mit Händen und Füßen
dagegen gewehrt.