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17.12.2009,  junge Welt

Welche Zukunft?

Showdown in Kopenhagen: Auf der einen Seite stehen die Entwicklungsländer, auf der anderen eine Handvoll widerstrebender Industriestaaten

Von Wolfgang Pomrehn

Langsam wird es in Kopenhagen richtig spannend. Inzwischen trudeln die Staats- und Regierungschefs ein, rund 110 haben sich angekündigt. Offiziell liegen die Verhandlungen im Plenum seit Tagen brach. Die AOSIS, die Gruppe der kleinen Inselstaaten, hatte einen Vertragsentwurf auf den Tisch gelegt, in dem eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellem Niveau angestrebt wird. Die meisten Länder lehnten das ab, worauf die Kompromißsuche begann und die AOSIS darauf bestand, daß die formellen Verhandlungen im Plenum solange ruhen müssen. Am Montag kamen dann auch noch für einen halben Tag die Gespräche in den Arbeitsgruppen zum Erliegen, weil eine ganze Reihe afrikanischer Staaten aus Protest gegen die Unbeweglichkeit der Industrieländer auszog.

Allerdings besteht der Gipfel aus mehrerern unterschiedlichen Konferenzen. Zum einen treffen sich die 189 Mitglieder des Kyoto-Protokolls, etwas vereinfacht ist das die ganze Welt minus der USA. Zum anderen gibt es eine Versammlung der 192 Unterzeichnerstaaten der Klimarahmenkonventionen. Zu denen zählen auch die USA. Deshalb konnte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Dienstag abend trotz der Teilblockade mit den inzwischen eingetroffenen Ministern Gespräche auf Spitzenebene einläuten. Derweil laufen in Peking, Neu Delhi, Brasilia und Tshwane (ehemals Pretoria) die Fernsprecher heiß. Chinas Nachrichtenagentur Xinhua berichtet von einer regen Telefondiplomatie Wen Jiabaos, des Premiers der Volksrepublik.

Herausgekommen ist ein gemeinsamer Vertragsvorschlag der BASIC-Gruppe Brasilien, Südafrika, Indien und China, der in der Hinterhand gehalten wird. Auch die afrikanischen Länder unterstützen das Papier, berichtete die indische Zeitung Hindustan Times. Der Entwurf soll aber nur auf den Tisch gelegt werden, wenn das sogenannte Dänische Papier tatsächlich eingebracht wird. Dabei handelt es sich um einen Entwurf, der letzte Woche durchgesickert war und für erhebliche Aufregung sorgte. Angeblich aus der Feder der dänischen Gastgeber stammend und nach Konsultationen mit Washington geschrieben, ist er in der Form einer Abschlußerklärung formuliert. Damit signalisiert das Papier, daß die Autoren auf dem Gipfel in Kopenhagen keinen Vertrag unterschreiben wollen. Außerdem bedeutet der Text eine Abkehr vom Kyoto-Protokoll, das die Entwicklungsländer unbedingt fortgeschrieben sehen wollen. Schließlich bricht der Text auch noch mit einem Prinzip der Klimarahmenkonvention, wonach es sich beim globalen Klimaschutz um eine »gemeinsame, aber unterschiedliche Aufgabe« handele. Hinter letzterem verbirgt sich der Anspruch, daß zunächst die Industriestaaten den Treibhausgasausstoß einschränken müssen, weil sie über mehr Ressourcen verfügen, weil sie die Verantwortung für die bereits in der Atmosphäre angesammelten Treibhausgase tragen und weil die Länder des Südens Raum für ihre nachholende Entwicklung brauchen.

Die Anreise einer großen Zahl von Staats- und Regierungschefs und die Rolle des UN-Generalsekretärs in den Gesprächen sind einzigartig in der Geschichte der Klimaverhandlungen seit 1995. Auch die aktive Rolle der Entwicklungs- und Schwellenländer ist neu. Lange hatte in den Verhandlungen einzig die Inselstaaten-Allianz AOSIS aufgrund der besonderen Betroffenheit ihrer Länder den Industriestaaten ernsthaft die Stirn geboten. Der Rest der Entwicklungsländer hatte sich eher zurückgehalten. Das hat sich geändert. Ihre Entschlossenheit, das Kyoto-Protokoll zu verteidigen, läßt für heute und morgen einen spannenden Showdown erwarten.

Einzigartig für bisherige Klimakonferenzen ist auch die Heftigkeit der Proteste. Eine ähnliche Größe hatten sie bisher einzig beim Erdgipfel für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro, auf dem die Klimaschutzrahmenkonvention feierlich verabschiedet wurde. Damals war die Stimmung auf den Straßen optimistischer. Die Unterzeichnung der Konvention wurde als großer Schritt nach vorn angesehen. Außerdem hatte man es nicht mit einer Polizei zu tun, die Menschen ohne irgendeinen Vorwurf festnehmen konnte.

Die dänische Polizei hat seit Mittwoch letzter Woche schon über 2000 Menschen »vorbeugend« in ihre Drahtkäfige gesperrt, zwischen denen sie mit scharfen Hunden patrouilliert und schon mal die Inhaftierten mit Reizgas besprüht. Kopenhagen ist also nicht nur die größte Klimakonferenz aller Zeiten, sondern liefert auch einen kleinen Vorgeschmack darauf, wie diejenigen, die im Auftrag von Auto-, Kohle- und Ölindustrie den Klimaschutz verhindern wollen, sich die Zukunft vorstellen.