Langsam wird es in
Kopenhagen richtig
spannend. Inzwischen trudeln
die Staats- und Regierungschefs ein, rund 110 haben sich
angekündigt. Offiziell liegen die Verhandlungen im Plenum seit
Tagen brach. Die AOSIS, die Gruppe der kleinen Inselstaaten, hatte
einen Vertragsentwurf auf den Tisch gelegt, in dem eine Begrenzung
der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem
vorindustriellem Niveau angestrebt wird. Die meisten Länder
lehnten das ab, worauf die Kompromißsuche begann und die
AOSIS darauf bestand, daß die formellen Verhandlungen im
Plenum solange ruhen müssen. Am Montag kamen dann auch noch
für einen halben Tag die Gespräche in den Arbeitsgruppen
zum Erliegen, weil eine ganze Reihe afrikanischer Staaten aus
Protest gegen die Unbeweglichkeit der Industrieländer
auszog.
Allerdings besteht der Gipfel aus mehrerern unterschiedlichen
Konferenzen. Zum einen treffen sich die 189 Mitglieder des
Kyoto-Protokolls, etwas vereinfacht ist das die ganze Welt minus
der USA. Zum anderen gibt es eine Versammlung der 192
Unterzeichnerstaaten der Klimarahmenkonventionen. Zu denen
zählen auch die USA. Deshalb konnte UN-Generalsekretär
Ban Ki Moon am Dienstag abend trotz der Teilblockade mit den
inzwischen eingetroffenen Ministern Gespräche auf Spitzenebene
einläuten. Derweil laufen in Peking, Neu Delhi, Brasilia und
Tshwane (ehemals Pretoria) die Fernsprecher heiß. Chinas
Nachrichtenagentur Xinhua berichtet von einer regen
Telefondiplomatie Wen Jiabaos, des Premiers der
Volksrepublik.
Herausgekommen ist ein gemeinsamer Vertragsvorschlag der
BASIC-Gruppe Brasilien, Südafrika, Indien und China, der in
der Hinterhand gehalten wird. Auch die afrikanischen Länder
unterstützen das Papier, berichtete die indische Zeitung
Hindustan Times. Der Entwurf soll aber nur auf den Tisch gelegt
werden, wenn das sogenannte Dänische Papier tatsächlich
eingebracht wird. Dabei handelt es sich um einen Entwurf, der
letzte Woche durchgesickert war und für erhebliche Aufregung
sorgte. Angeblich aus der Feder der dänischen Gastgeber
stammend und nach Konsultationen mit Washington geschrieben, ist er
in der Form einer Abschlußerklärung formuliert. Damit
signalisiert das Papier, daß die Autoren auf dem Gipfel in
Kopenhagen keinen Vertrag unterschreiben
wollen. Außerdem
bedeutet der Text eine Abkehr vom Kyoto-Protokoll, das die
Entwicklungsländer unbedingt fortgeschrieben sehen wollen.
Schließlich bricht der Text auch noch mit einem Prinzip der
Klimarahmenkonvention, wonach es sich beim globalen Klimaschutz um
eine »gemeinsame, aber unterschiedliche Aufgabe«
handele. Hinter letzterem verbirgt sich der Anspruch, daß
zunächst die Industriestaaten den Treibhausgasausstoß
einschränken müssen, weil sie über mehr Ressourcen
verfügen, weil sie die Verantwortung für die bereits in
der Atmosphäre angesammelten Treibhausgase tragen und weil die
Länder des Südens Raum für ihre nachholende
Entwicklung brauchen.
Die Anreise einer großen Zahl von Staats- und Regierungschefs
und die Rolle des UN-Generalsekretärs in den Gesprächen
sind einzigartig in der Geschichte der Klimaverhandlungen seit
1995. Auch die aktive Rolle der Entwicklungs- und
Schwellenländer ist neu. Lange hatte in den Verhandlungen
einzig die Inselstaaten-Allianz AOSIS aufgrund der besonderen
Betroffenheit ihrer Länder den Industriestaaten ernsthaft die
Stirn geboten. Der Rest der Entwicklungsländer hatte sich eher
zurückgehalten. Das hat sich geändert. Ihre
Entschlossenheit, das Kyoto-Protokoll zu verteidigen,
läßt für heute und morgen einen spannenden Showdown
erwarten.
Einzigartig für bisherige Klimakonferenzen ist auch die
Heftigkeit der Proteste. Eine ähnliche Größe hatten
sie bisher einzig beim Erdgipfel für Umwelt und Entwicklung
1992 in Rio de Janeiro, auf dem die Klimaschutzrahmenkonvention
feierlich verabschiedet wurde. Damals war die Stimmung auf den
Straßen optimistischer. Die Unterzeichnung der Konvention
wurde als großer Schritt nach vorn angesehen. Außerdem
hatte man es nicht mit einer Polizei zu tun, die Menschen ohne
irgendeinen Vorwurf festnehmen konnte.
Die dänische Polizei hat seit Mittwoch letzter Woche schon
über 2000 Menschen »vorbeugend« in ihre
Drahtkäfige gesperrt, zwischen denen sie mit scharfen Hunden
patrouilliert und schon mal die Inhaftierten mit Reizgas
besprüht.
Kopenhagen ist also nicht nur
die größte
Klimakonferenz aller Zeiten, sondern liefert auch einen kleinen
Vorgeschmack darauf, wie diejenigen, die im Auftrag von Auto-,
Kohle- und Ölindustrie den Klimaschutz verhindern wollen, sich
die Zukunft vorstellen.