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14.12.2009,  junge Welt

Kopenhagen macht dicht

Zehntausende bei Protesten zum Klimagipfel in Dänemark: Polizei setzt fast 1000 Demonstranten fest. Entwürdigende Behandlung

Von Wolfgang Pomrehn

Bis zu 100000 Menschen aus aller Welt haben am Samstag in Kopenhagen für effektiven Schutz des globalen Klimas demonstriert. Anlaß war der noch bis zum Freitag dieser Woche tagende UN-Klimagipfel. Auch in anderen Ländern gab es angesichts der stockenden Verhandlungen Proteste, die größten in Australien. In Sydney, Melbourne, Canberra, Darwin, Adelaide, Perth, Hobart und Brisbane gingen nach Agenturangaben insgesamt 50000 Menschen auf die Straße. Der Radiosender ABC berichtet auf seiner Internetseite sogar von 90000 Teilnehmern allein in der Hauptstadt Canberra und 40000 in Melbourne.

Am Rande der Kopenhagener Großemonstration kam es zu Auseinandersetzungen zwischen einigen militanten Klimaschützern und der Polizei. Diese hatte allerdings schon im Vorfeld Dutzende Personen »vorbeugend« festgenommen. Auch in Dänemark können Beamte inzwischen ohne konkreten Vorwurf potentielle Demonstranten für bis zu zwölf Stunden festsetzen. Insgesamt wurden am Samstag fast 1000 Menschen festgenommen. Ein erheblicher Teil von ihnen wurde ab 15.30 Uhr auf offener Straße eingekesselt. Mehrere hundert mußten stundenlang bei Temperaturen von knapp über null Grad ausharren. Zudem wurden sie auch noch gezwungen, sich mit auf den Rücken gefesselten Händen auf den Boden zu setzen. Nach Angaben des Klima-Justice-Netzwerks wurde ihnen bis in die Abendstunden hinein der Zugang zu Toiletten, Essen und Wasser verweigert. Gegen 19.45 Uhr seien die ersten zusammengebrochen. Schon ab 18 Uhr habe man Journalisten Zugang zu dem Gebiet verweigert. Die Einkesselung habe weder im zeitlichen noch räumlichen Zusammenhang mit den vorherigen Zusammenstößen gestanden. Eine Polizeisprecherin erklärte auf Mediennachfrage, 955 der insgesamt 968 Festgenommenen seien in der Nacht zu Sonntag wieder »entlassen« worden. Dafür wurde bei einer Aktion am Sonntag 200 weitere Demonstranten festgesetzt.

Im dänischen Fernsehsender TV2 erklärte Helga Matthiassen nach ihrer Freilassung am Samstag: »Natürlich sind wir wütend – überall auf der Welt empören sich Menschen darüber, daß sie von Regierungen belogen werden. Denn diese machen aus den Klimaverhandlungen ein Wirtschaftsabkommen. Wenn wir dagegen unseren Protest auf die Straße tragen, werden wir willkürlich festgehalten. (...) Uns wurde nicht nur unser Recht auf freie Meinungsäußerung verwehrt, sondern mit dieser aberwitzigen Polizeiaktion wurden auch unsere Menschenrechte mißachtet. Es scheint so, als hätte die dänische Polizei ein neues Motto: Warum Demonstranten nur kriminalisieren, wenn wir sie auch entmenschlichen können?«

Aus Deutschland waren zirka 1500 Menschen zur Demonstration nach Kopenhagen gefahren. In vielen Norddeutschen Städten wurden Busse organisiert. Aus Niedersachsen fuhr ein Sonderzug. Die Proteste sollen in dieser Woche, in der die Verhandlungen in ihre heiße Phase treten, weitergehen. Am Dienstag wird es einen Landwirtschaftsaktionstag geben, an dem die Bedrohung der Welternährung durch den Klimawandel im Mittelpunkt steht. Für Mittwoch planen die radikaleren Teile der Bewegung, auf das Konferenzgelände vorzudringen und dort eine »Versammlung der Völker« abzuhalten.

Die Themen Landwirtschaft und Ernährungssicherung spielten am Sonntag auch auf dem Alternativgipfel eine zentrale Rolle, zu dem sich einige tausend Aktivisten aus aller Welt im Zentrum Kopenhagens versammelt haben. Die indische Publizistin, Atomphysikerin, Feministin und Umweltschützerin Vandana Shiva stellte ein Manifest gegen den Klimawandel vor. Auch die kenianische Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai sprach zu den Versammelten. Mulu Alem Birhane, Bauer aus Äthiopien, schilderte, wie zunehmend häufiger auftretende Dürren ihm das Leben schwer und das Wirtschaften fast unmöglich machen. Anna Filippini aus Uruguay berichtete, wie in ihrem Land und im benachbarten Brasilien Eukalyptusplantagen Bauern und zum Teil die eingesessene indigene Bevölkerung verdrängen, die Umwelt schädigen und demnächst eventuell auch noch als Klimaschutzmaßnahmen besonders gefördert werden könnten.

Weitere Informationen im Internet:

www.klimagipfel2009.de

www.klimaforum09.dk

www.climate-justice-action.org