18.11.2006
Keine Ausreden
Zum UN-Klimagipfel
in Nairobi
Von Wolfgang
Pomrehn
Sie waren vorgewarnt. Der Klimawandel ist keine ferne Möglichkeit
mehr,
sondern bereits bittere Realität. Zum Beispiel in Kenia, dem
Gastgeberland der diesjährigen UN-Klimakonferenz. Nach Monaten der
Dürre, die den Mais am Halm verkümmern ließ, schwemmten
just in den
beiden Wochen des großen Ratschlags in Nairobi sintflutartige
Regenfälle den Rest der Ernten davon. Brücken stürzten
ein, und
Umweltminister aus aller Welt holten sich auf dem Konferenzgelände
nasse Füße. Bis vor einigen Jahren, so berichten kenianische
Bäuerinnen
am Rande des internationalen Treffens, war der Regen in dem
ostafrikanischen Land eine verläßliche Angelegenheit, mit
der man
planen konnte. Doch das war einmal. Der Planet erwärmt sich
-- und zwar
im atemberaubenden Tempo.
Dennoch
haben sich die Delegierten mal wieder heillos im Dickicht der
Arbeitskreise, Unterausschüsse und Detailfragen verloren. Einige
Regierungen, nicht zuletzt die der USA, haben in den über 16
Jahren,
die die Klimaverhandlungen nun schon geführt werden, das
Ausweichen ins
Kleingedruckte zur hohen Kunst entwickelt. Man hat fast den Eindruck,
als ob sich die Zahl der geworfenen diplomatischen Nebelkerzen
proportional zur wachsenden Dringlichkeit verhält.
Die große
Frage ist derzeit, ob noch ein Verhandlungsfahrplan zustande kommt, der
dafür sorgt, daß 2012 keine Vertragslücke entsteht.
Dann läuft nämlich
der alte Klimavertrag, das Kyoto-Protokoll, aus, doch ein Ersatz ist
bisher nicht in Sicht. Schon jetzt ist die Zeit äußerst
knapp, aber in Nairobi wurde wiedereinmal nur ein windelweicher
Kompromiss ausgehandelt.
Doch das sollte keine Ausrede für Untätigkeit sein.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel
hat in Nairobi versprochen, Deutschland wäre unter bestimmten
Voraussetzungen bereit, sich auf ein weitgehendes Ziel festzulegen. Um
40 Prozent könne Deutschland bis 2020 gegenüber dem Basisjahr
1990 die
hiesigen Treibhausgasemissionen mindern.
Wir sollten ihn beim Wort nehmen, denn das kann auch ohne
internationalen Vertrag umgesetzt werden. Treibhausgase entstehen vor
allem bei der Verbrennung von Öl, Kohle und Erdgas, und die
Einsparpotenziale sind hierzulande noch immer riesig. Kerosin
müßte besteuert und dem Unwesen der Billig-Fliegerei ein
Ende bereitet werden. Die umweltfreundliche Bahn wäre auszubauen
und der öffentliche Personenverkehr zu fördern, statt beides
den Kräften des Marktes zum Fraß vorzuwerfen. Die
Bundesregierung müsste E.on, RWE und Co. davon abhalten, weitere
zig-Milliarden Euro in Dinosauriertechnologien wie Kohle- und
Atomkraftwerke zu investieren. Und vor allem muss noch wesentlich mehr
für die Wärmedämmung von Wohn- und
Geschäftsgebäuden unternommen werden.