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jW, 22.02.2005 / Ansichten / Seite 8

Wahlausgang in Schleswig-Holstein

Tanzende Verhältnisse

Wolfgang Pomrehn

Fast hätte es geklappt; fast hätte Peter Harry Carstensen sein Versprechen wahr machen und an die Erfolge Uwe Barschels anknüpfen können. Das Wasser war bereits eingelassen, die Quietsche-Entchen lagen bereit, doch dann zog in Kiel der Landeswahlleiter in letzter Minute den Stöpsel. Um Haaresbreite verfehlten CDU und FDP im schleswig-holsteinischen Landtag den Wechsel auf die Regierungsbänke.

Zweifellos ein Traumergebnis: Die SPD gehörig abgewatscht, der besonders unverdiente grüne Höhenflug ausgebremst, und doch den ästhetisch-intellektuellen Super-GAU vermieden. Carstensen, dem sympathischen Li-La-Launebär mit reaktionärem Programm und einem Schattenkabinett, das eine Beleidigung für jeden denkenden Menschen darstellte, wurde in letzter Sekunde die Tür vor der Nase zugeschlagen. 38 Jahre hatte einst seine Partei, die man aufgrund personeller Kontinuitäten bis in die 1980er Jahr mit einigem Recht eine Nachfolgeorganisation der NSDAP nennen konnte, das Land zwischen den Meeren wie ihren Privatbesitz regiert. Nun wurde sie für weitere fünf Jahre davon abgehalten, diese Traditionen zu erneuern.

Gut möglich übrigens, daß in den kräftigen Zuwächsen für die CDU auch eine der Erklärungen für das erfreulich schlechte Abschneiden der NPD zu suchen ist. In Schleswig-Holstein konnte ihre bundesweite Erfolgsserie frühzeitig abgebrochen werden, sicherlich auch das Ergebnis einer ganz ungewöhnlich intensiven, breiten und nicht zuletzt unter Schülern gut verankerten antifaschistischen Mobilisierung, wie man sie dem verschlafenen Ländchen gar nicht zugetraut hätte.

Unterdessen stimmen auch die Details des schleswig-holsteinischen Wahlergebnisses: Die PDS halbierte mehr oder weniger ihre Stimmen auf niedrigem Niveau. Schwer zu sagen, ob das am örtlichen Personal von zum Teil christdemokratischer Qualität oder eher daran lag, daß die Kunde über Berliner und Schweriner Zustände nun auch in den letzten Winkel der Republik gedrungen ist.

Von besonderem bundespolitischen Interesse ist ein anderes Detail der Schleswig-Holstein-Wahl: Die SPD hat nicht nur auf dem Land, sondern auch überdurchschnittlich in den Armutsbezirken der Städte verloren. Das läßt darauf schließen, daß dort ein erhebliches Potential für die Wahlalternative »Arbeit und Soziale Gerechtigkeit« liegt.

Die Aussichten stehen somit nicht allzu schlecht, daß diese neue Partei schon bald in NRW die Verhältnisse zum Tanzen bringen könnte. Vorausgesetzt natürlich, man zeigt soviel Rückgrat wie die Partei der dänischen Minderheit, der SSW, und legt sich nicht gleich ins nächstbeste Koalitionsbett.