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W, 10.07.2006 / Ansichten /
Seite 2
»Bundesregierung
muß zu Vorfällen Stellung nehmen«
Offene Fragen zu
Verstrickung einer deutschen Bergbaufirma in kongolesischen
Bürgerkrieg. Gespräch mit Hans-Christian Ströbele
* Hans-Christian
Ströbele ist Bundestagsabgeordneter der Partei Bündnis 90/Die
Grünen
Die im Osten Kongos gelegene Mine Lueshe
ist hierzulande in die Schlagzeilen geraten, da es dort Hinweise auf
die Beteiligung deutscher Firmen an der Finanzierung des
Bürgerkrieges
gibt. In der Mine wird Niob gewonnen, das für besonders
hitzebeständige
Legierungen benötigt wird. Was haben Sie über die
Vorfälle in Lueshe herausgefunden?
Es gibt einen
Bericht der UNO vom Januar, in dem diese Mine und die
deutsche Beteiligung daran sehr kritisch erwähnt wird. Ich habe
dazu
mehrere Anfragen an die Bundesregierung gestellt. Die Antworten waren
leider nicht sehr ergiebig, daher werde ich weiter nachbohren
müssen.
Nach
dem, was die UNO festgestellt hat, ist die Mine zwar zunächst nach
Ausbruch der Kämpfe stillgelegt worden. Dann wurde die Ausbeutung
jedoch in neuer Rechtsform und unter Beteiligung des ehemaligen
Geschäftsführers wieder aufgenommen. In jüngster Zeit
gab es Vorwürfe,
diese Mine soll von Rebellentruppen geschützt worden sein.
Dem erwähnten UNO-Bericht ist zu entnehmen, daß die
deutsche Gesellschaft für Elektrometallurgie aus der Mine
ausgestiegen
ist und von der Bundesregierung entschädigt wurde, die im Gegezug
deren
Ansprüche übernahm. Ist Ihnen das vom Wirtschaftsministerium
bestätigt
worden?
Ja, vom
Auswärtigen Amt. Die Bundesregierung ist in ihrer Antwort sehr
auf Distanz zu den Betreibern gegangen. Was wohl stimmt, ist, daß
es
eine Bürgschaft des Bundes gegeben hat, die die Gesellschaft
für
Elektrometallurgie auch in Höhe von sieben Millionen Euro
kassierte.
Die Bundesregierung hat dafür Ansprüche aus
Darlehensforderungen
erhalten und scheint materiell an der Mine interessiert.
Aus dem UNO-Bericht kann man schließen, daß dieser
Geschäftsführer, Karl Heinz Albers, indirekt an
Kriegsverbrechen
beteiligt war. Wissen Sie Näheres über ein
Ermittlungsverfahren, das in
Deutschland gegen diesen Herrn läuft?
Nein. Soweit ich
weiß, soll er nicht an Kriegsverbrechen beteiligt
gewesen sein, sondern in engeren Beziehungen zu einer der
Rebellengruppen gestanden haben. Die jüngsten Vorwürfe
lauten, daß
Colonel Jules Mutebutsi und General Laurent Nkunda, die wegen
Kriegsverbrechen gesucht werden, Unterschlupf auf dem Gelände der
Mine
gefunden haben. Außerdem sollen die Betreiber der Mine oder ein
Teil
des Personals in Waffengeschäfte verwickelt gewesen sein.
Was
daran wahr ist, läßt sich von hier schlecht feststellen.
Aber ich
bemühe mich, und es ist immerhin bemerkenswert, daß die UNO
Anlaß sah,
die Sache zu untersuchen. Ich denke, die Bundesregierung muß zu
den
Vorfällen Stellung nehmen.
Wäre nicht ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß
angebracht? Immerhin geht es um die Frage, wer einen Bürgerkrieg,
der
vier Millionen Menschen das Leben kostete, finanziert und von ihm
profitiert hat.
Ich glaube, das
ist noch zuviel Spekulation. Die Beteiligung einer
deutschen Firma an der Ausbeutung einer Mine muß ja noch nicht
heißen,
daß sie den Bürgerkrieg finanziert hat. Außerdem ist
es ziemlich
fraglich, ob ein deutscher Parlamentsausschuß Licht in die
Verhältnisse
im Ostkongo bringen kann. Aber die vorliegenden Informationen
müssen
natürlich unbedingt verifiziert werden.
Nun scheint der Herr Albers ein ziemlich bekannter Mann
zu sein, nur von der Bundesregierung hört man nicht, wie sie zu
ihm
steht.
Ja. Auch in der
Antwort auf meine Anfrage hat sie sich dazu nicht
geäußert. Das ist sicherlich ein Punkt, dem nachgegangen
werden muß.
Außerdem muß man von der Bundesregierung eine Antwort
darauf verlangen,
was ihr von den Tätigkeiten der Firma in Lueshe und den Verbindungen
zu Kriegsverbrechern bekannt war.
Wirft das Ganze nicht auch ein schlechtes Licht auf den heutigen
Bundeswehrabmarsch in den Kongo?
Das ist ja nun
inhaltlich wie geografisch weit weg von dem Einsatz der
deutschen Soldaten. Ich sehe da keinen Zusammenhang. Klar ist,
daß die
Truppen im Wahlkampf keine Seite unterstützen dürfen. Ich
habe
allerdings trotzdem gegen den Einsatz eingestimmt, unter anderem, weil
es nicht den Dialogprozeß gibt, den die katholische Kirche und
die
Opposition fordern. Außerdem ist der zweite Wahlgang noch nicht
festgelegt worden.
Interview: Wolfgang
Pomrehn