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23.09.2006 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Wind-Boom weltweit

Installierte Kraftwerksleistung hat sich in einer Dekade mehr als verzehnfacht. Große Wachstumspotentiale in Asien. Gegenwind in Deutschland

Von Wolfgang Pomrehn
Die Windenergie boomt weltweit wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig. Das geht aus einem Jahresbericht hervor, den kürzlich die Umweltorganisation Greenpeace und der »Global Wind Energy Council«, eine internationale Lobby-Organisation der Branche, veröffentlicht haben. 1995 waren weltweit erst 4,8 Gigawatt (GW) elektrische Leistung installiert, zehn Jahre später sind es bereits 59 GW. Das entspricht der Leistung von rund 50 Atomkraftwerken vom Typ Biblis A. Die tatsächliche Energieausbeute ist bei Windrädern allerdings niedriger als bei Kraftwerken mit der gleichen Nennleistung, da diese rund um die Uhr betrieben werden können, während Wind je nach Region mehr oder weniger variabel weht. Dennoch wird mit 26,5 Terawattstunden (TWh) – das entspricht 26,5 Milliarden Kilowattstunden (kWh) – in Deutschland inzwischen rund 5,5 Prozent des Strombedarfs aus Wind gedeckt. Internationaler Spitzenreiter ist Dänemark mit 20 Prozent. Auch Spanien hat mit 8,25 Prozent Bedarfsdeckung Deutschland bereits überrundet. Bis 2010 plant man dort, die installierte Leistung von jetzt zehn auf 20 GW zu verdoppeln.

Rekordjahr 2005

2005 war für die Windkraftbranche ein Rekordjahr: In über 30 Ländern wurden Anlagen mit einer Leistung von 11,53 GW installiert. Damit hat sich das Wachstum, das seit Ende der 1990er im zweistelligen Bereich liegt, noch einmal beschleunigt. Die meisten Anlagen wurden in den USA gebaut, wo inzwischen nach Jahren der Flaute wieder Förderprogramme aufgelegt werden. Meist allerdings von einzelnen Bundesstaaten, weil in Washington weiter Big Oil das Sagen hat. Deutschland, lange Zeit der Spitzenreiter in der Errichtung neuer Windräder, lag immer noch auf Platz zwei. Hierzulande wurde der Höhepunkt der neuinstallierten Leistung bereits 2002 erreicht. Ein neuer Boom ist in Deutschland erst zu erwarten, wenn in einigen Jahren der Bau der Offshore-Windparks vor den Küsten von Nord- und Ostsee beginnt.

Weltweit wird aber das starke Wachstum noch viele Jahre anhalten, hoffen die Autoren des Berichts. Schon die sehr gemäßigten Erwartungen der Internationalen Energieagentur (IEA), deren Herz nicht unbedingt für die erneuerbaren Energieträger schlägt, gehen dahin, daß im Jahre 2030 fünf Prozent des globalen Bedarfs an elektrischer Energie aus Wind gedeckt wird. Bereits das würde einen massiven Ausbau der Kapazitäten bedeuten. Bei Greenpeace und dem »Global Wind Energy Council« hofft man indes auf mehr. Bis 2030 könnten mit einer aktiven Förderpolitik 15 bis 30 Prozent des weltweiten Strombedarfs mit Windrädern gedeckt werden, insbesondere wenn das Wachstum des Verbrauchs durch sparsameren Umgang und effizientere Geräte gebremst wird. An einem Mangel an Wind wird es jedenfalls nicht liegen. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen schätzt in einer Studie das weltweite Potential der Windenergie auf 39000 Terawattstunden (TWh). Das ist etwas mehr als die knapp 38000 TWh, die die IEA bei ungebremstem Anstieg des Verbrauchs für das Jahr 2050 als den Weltjahresbedarf an Strom prognostiziert.

China holt auf

Für die optimistischere Variante spricht auch die Entwicklung in Asien. Dort sind gerade Indien und China dabei, ganz groß in das Geschäft mit dem Wind einzusteigen. Noch hat Indien die Nase mit über vier GW installierter Leistung vorn. 1,4 GW wurden allein 2005 neu in Betrieb genommen. In der Volksrepublik setzt man allerdings gerade zur Aufholjagd an. In den nächsten 15 Jahren sollen dort umgerechnet rund 160 Milliarden Euro für erneuerbare Energiequellen ausgegeben werden. Bis 2020 sind Windräder mit einer elektrischen Leistung von 30 GW geplant. Derzeit sind in China erst 1,3 GW installiert, doch in den nächsten Monaten sollen zwei große Windparks in der Inneren Mongolei und einer in der Provinz Hebei in der Nähe Pekings in Bau gehen.

Unterdessen gibt es hierzulande aus den Reihen der Energiewirtschaft weiter hinhaltenden Widerstand gegen die saubere Energie. In Schleswig-Holstein kann seit 1999 ein Teil der Kapazitäten nicht mehr genutzt werden. Netzbetreiber E.on schaltet Windräder ab, sobald der Wind besonders stark bläst. Die Leitungen seien überlastet, so die Begründung bei E.on. Rund sieben Prozent der potentiellen Jahresleistung fällt dadurch aus. Das Nachsehen haben die Windmüller, denen Einnahmen in Millionenhöhe entgehen. Sie werfen dem Energiekonzern vor, nicht rechtzeitig für ausreichende Leitungen gesorgt zu haben. Erst Ende 2005 hat E.on mit den Planungen für eine neue Freiluftleitung in Nordfriesland begonnen, die Entlastung bringen soll. Bis die genehmigt und gebaut ist, werden vier weitere Jahre vergangen sein.

www.gwec.net