j.W., 31.07.2006 / Ausland /
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Die Preise für Rohstoffe aller Art sind in den vergangenen zwei
Jahren
regelrecht in den Himmel geschossen. Gute Zeiten für die
Produzenten,
sollte man meinen. Viele von ihnen gehören zu den ärmsten
Staaten des
Planeten, den sogenannten LDC (Least Developed Countries, am wenigsten
entwickelte Länder).Tatsächlich haben die LDC, wie ein am 20.
Juli
veröffentlichter Bericht der UN-Konferenz für Handel und
Entwicklung
(UNCTAD) feststellt, in den vergangenen Jahren ihr Wirtschaftswachstum
deutlich beschleunigt. Allerdings hat das bisher kaum zur Verminderung
der Armut oder zu Produktivitätssteigerungen geführt. In
vielen Ländern
bleibt der Aufschwung von den Preisen der Rohstoffe und ihren
Absatzmärkten sowie von ausländischen Investitionen und
Entwicklungshilfe abhängig und damit eine sehr zerbrechliche
Angelegenheit. Die lokale Kapitalakkumulation ist weiter schwach,
Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind nach wie vor weit
verbreitet und Hauptursache der großen Armut.
Fragile Volkswirtschaften
50 Länder werden von den Vereinten
Nationen derzeit zu den LDC gezählt. Die meisten Inselstaaten
Ozeaniens
gehören dazu, außerdem viele afrikanische Staaten. In Asien
stehen acht
Staaten auf der LDC-Liste, Amerika ist lediglich mit Haiti vertreten
und Europa überhaupt nicht, obwohl zum Beispiel Moldawien einige
der
Kriterien erfüllt. Das größte LDC ist Bangladesch. Auch
die besonders
reich mit Rohstoffen gesegnete Demokratische Republik
Kongo
gilt als LDC. Zu dieser Staatengruppe werden Länder gezählt,
in denen
das Nationaleinkommen besonders niedrig ist oder die aufgrund ihrer
geographischen Lage und geringen Größe besonders fragile
Volkswirtschaften haben. Als Obergrenze gelten 900 US-Dollar
Bruttonationaleinkommen pro Kopf und Jahr. Die Liste wird vom
Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen zusammengestellt.
Staaten mit mehr als 75 Millionen Einwohnern werden grundsätzlich
nicht
neu aufgenommen.
Die UN-Vollversammlung hatte sich im Jahre 2000
im Rahmen der sogenannten Millenniumsziele darauf geeinigt, bis 2015
den Anteil der Menschen, die von weniger als einem US-Dollar pro Tag
leben müssen, zu halbieren. Sieht man einmal von China, Indien und
Indonesien ab, dann leben die meisten dieser besonders armen Menschen
in den am wenigsten entwickelten Staaten.
Agrarsektor rückläufig
Bisher wird Armut im Diskurs der
Entwicklungsorganisationen aus dem Norden und auch im Rahmen der UNO
oft unter dem Aspekt des Konsums und der Versorgung betrachtet. Der
Bericht verfolgt allerdings einen anderen Ansatz: Er fragt nach der
Entwicklung der Produktivkräfte, nach Zahl und Qualität der
Arbeitsplätze, nach Möglichkeiten für die Armen, sich
ein Einkommen zu
erarbeiten.
Das
ist um so wichtiger, als das Bevölkerungswachstum und das
Vordringen
des Weltmarktes in die letzten Ecken des Planeten zu einer
folgenschweren Entwicklung führt: Die gegenwärtige Dekade ist
für die
LDC die erste, in der das Wachstum der ökonomisch aktiven
Bevölkerung
im nichtlandwirtschaftlichen Sektor jenes der entsprechenden
Bevölkerung in der Landwirtschaft übersteigt. Über die
Hälfte der LDC
sind von diesem Übergang betroffen, und in der nächsten
Dekade werden
es noch mehr sein. Die ärmsten Länder sind im
Industriezeitalter
angekommen. Selbstversorgung in der Landwirtschaft wird künftig
auch in
diesen Ländern nur noch eine Nebenrolle spielen. Wenn sie aber
nicht
die Möglichkeit erhalten, Fabriken und moderne
Dienstleistungsunternehmen aufzubauen, dann werden diese Staaten zu den
Elendsquartieren der globalen Industriegesellschaft.
Zollschranken notwendig
Die Industrialisierung wird indes auch
mit den gestiegenen Einnahmen aus den Exporten nicht leichtfallen. Der
Bericht verweist darauf, daß nur sehr wenige der LDC über
nennenswerte
Zollsysteme verfügen, die die heimische Produktion vor der
Konkurrenz
aus den Industriestaaten schützen könnte. Viele haben sich in
den
vergangenen Jahren einer umfangreichen Handelsliberalisierung
unterworfen, und Exportweltmeister Deutschland setzt gerade in Afrika
militärisch einen Fuß in die Tür, um diese Erfolge
abzusichern.
Der
UN-Bericht macht als wichtigste Hindernisse für die künftige
Entwicklung der ärmsten Länder vor allem schlechte
Infrastruktur, einen
schwachen Privatsektor, einen unzureichenden Wissenstransfer,
schwindsüchtige Banken und einen viel zu schwachen Binnenmarkt
aus, der
wenig Anreize für Investitionen bietet. Vor allem in der
Infrastruktur
seien öffentliche Investitionen nötig: Eine Position, die in
den Zeiten
des neoliberalen Mainstream selten geworden ist.
* Der Berich ist in Englisch auch zu lesen auf der Website
www.unctad.org