Am Montag und Dienstag treffen sich die Finanzminister aus aller Welt
zur Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds
(IWF)
in Singapur. Schon seit einer Woche laufen als
»Vorprogramm« diverse
Konferenzen und Seminare. Die kritische Weltöffentlichkeit bleibt
ausgeschlossen, die Mächtigen dieser Welt haben sich, um über
»gute
Regierungsführung« zu diskutieren, einen Polizeistaat
ausgesucht.
Der
Wahl des Ortes ist allerdings auch eine Referenz an Veränderungen
in
der Weltwirtschaft, die sich seit einigen Jahren abzuzeichnen beginnen.
Südostasien, in dessen Herzen Singapur liegt, und angrenzende
Staaten
entwickeln sich mit Riesenschritten zu einem neuen Zentrum des
internationalen Warenaustausches. Entsprechend hat man für die
diesjährige Tagung einige Zugeständnisse an die
Schwellenländer
vorbereitet. Die Stimmenanteile der Volksrepublik China, der
Türkei,
Südkoreas und Mexikos im IWF-Gouverneursrat, den die
Industriestaaten
beherrschen, sollen angehoben werden. Die Zuwächse werden zwischen
90
Prozent und 170 Prozent liegen, jedoch die Dominanz des Westens nicht
in Frage stellen. Der Vorschlag der IWF-Exekutive ist Teil eines
Reformpakets, das in den nächsten zwei Jahren schrittweise
beschlossen
werden soll. In der Diskussion ist auch die Anhebung der Zahl der
Basisstimmen, die jedes Mitglied unabhängig von den eingezahlten
Einlagen hat. Das würde den ärmsten Ländern zugute
kommen. Allerdings
beschränkt sich der aktuelle Vorschlag darauf, ihre relative
Position
innerhalb des IWF konstant zu halten. Durch die Vergabe neuer
Stimmrechte an Schwellenländer würden sie sonst vollends an
die Wand
gedrängt.
Die Diskussion im IWF ist unter anderem eine
Reaktion auf asiatische Bestrebungen, sich von der Washingtoner
Institution unabhängig zu machen. Die Länder der
südostasiatischen
Staatenallianz
ASEAN bereiten gemeinsam mit
einigen Nachbarn einen eigenen Mechanismus zur Stabilisierung der
Wechselkurse in Krisenzeiten vor. Chinas Premierminister Wen Jiabao
hatte erst man vergangenen Wochenende auf einer
europäisch-asiatischen
Gipfelkonferenz in Helsinki bekräftigt, daß seine Regierung
an diesen
Plänen festhält, auch wenn sie die Reform des IWF
unterstützt. In Ost-
und Südostasien ist die Erinnerung an das katastrophale
Krisenmanagement des IWF noch immer sehr frisch, das der Fonds vor neun
Jahren während der Finanzmarkt- und Börsenturbulenzen in der
Region an
den Tag legte. Seinerzeit waren verschiedene südostasiatische
Währungen
unter dem Druck heftiger Spekulationen zusammengebrochen.
Vorausgegangen war dem eine weitgehende Liberalisierung der
Finanzmärkte, zu der unter anderem der IWF geraten hatte. Als dann
Staaten wie Südkorea oder Thailand, die zuvor einen defizitfreien
Haushalt gehabt hatten, innerhalb weniger Woche zahlungsunfähig
wurden,
sprang der IWF zwar wie vorgesehen ein. Seine Kreditauflagen
verschärften die Krise jedoch erheblich. Zum Wohle der
ausländischen
Gläubiger zwang man den Regierungen eine Finanzpolitik auf, die
die
Zinsen in astronomische Höhen trieb und die Wirtschaft
strangulierte.
Unterdessen
haben in vielen Ländern Globalisierungskritiker eine Aktionswoche
gegen
die Jahrestagung von IWF und Weltbank vorbereitet. In Deutschland
beteiligt sich unter anderem ATTAC daran. Dort wirft man dem Fonds
ein
»marktfundamentalistische Wirtschaftspolitik« vor. Die
Entwicklungsprojekte der Weltbank, ein Begriff, den man bei ATTAC nur
in Anführungszeichen schreibt, seien ökologisch und sozial
oft
verheerend. Des weiteren werden die Streichung der Schulden der
Entwicklungsländer und eine öffentliche Überprüfung
der Kreditvergabe
von Fonds und Weltbank gefordert.
Hintergrund: IWF und Weltbank
Aufgaben des Internationalen
Währungsfonds (IWF) sind: Förderung der Zusammenarbeit in
Währungsfragen, Förderung des internationalen Handels und des
geregelten internationalen Zahlungsverkehrs sowie die
Unterstützung von
Mitgliedern, die in akute Zahlungsschwierigkeiten geraten sind.
Die Einlagen des IWF betragen derzeit insgesamt 317 Milliarden
US-Dollar. Die Institution hat 184 Mitgliedsländer. Die zur Zeit
laufenden Kredite in Höhe von 28 Milliarden US-Dollar wurden an 74
Staaten ausgezahlt.
Der Posten des IWF-Generaldirektors wird
seit den 1940er Jahren traditionell mit einem Westeuropäer
besetzt;
derzeit hat ihn der Spanier Rodrigo de Rato inne. Die Weltbank wird
hingegen ebenso traditionell von einem US-Amerikaner geleitet. Dort
schwingt derzeit der Bush-Vertraute Paul Wolfowitz das Zepter.
Der IWF wird von einem Gouverneursrat geleitet, in dem alle
Mitgliedsstaaten vertreten sind. Das Stimmrecht ist im wesentlichen
nach der Höhe der jeweiligen Einlagen gewichtet. Mit 17,46 Prozent
halten die USA die meisten Stimmenanteile. Japan und die BRD halten
6,26 bzw. 6,11, Frankreich und Großbritannien jeweils 5,05
Prozent.
Mitgliedschaft im IWF und in der Weltbank-Gruppe sind identisch.
Letztere wird ebenfalls durch einen Gouverneursrat geleitet, der
faktisch der gleiche ist wie der des IWF.
Die Weltbank-Gruppe
besteht aus fünf Institutionen: Die IBRD (Internationale Bank
für
Wiederaufbau und Entwicklung) ist die älteste von ihnen und wurde
wie
der IWF 1944 gegründet. Sie vergibt Kredite zu marktüblichen
Konditionen. Zinslose Entwicklungskredite sind hingegen bei der IDA
(Internationale Entwicklungsorganisation) zu erhalten. Die IFC
(Internationale Finanz-Corporation) unterstützt die
Privatwirtschaft in
Entwicklungsländern, und die MIGA (Multilaterale
Investitionsgarantie-Agentur) sichert ausländische Investoren
gegen
politische Risiken ab. Schließlich ist da noch das ICSID
(Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten)