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16.09.2006 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Brosamen für Schwellenländer

IWF und Weltbank wollen in Singapur eine Ausweitung der Stimmenanteile für einige fortgeschrittene Entwicklungsländer beschließen

Wolfgang Pomrehn

Am Montag und Dienstag treffen sich die Finanzminister aus aller Welt zur Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Singapur. Schon seit einer Woche laufen als »Vorprogramm« diverse Konferenzen und Seminare. Die kritische Weltöffentlichkeit bleibt ausgeschlossen, die Mächtigen dieser Welt haben sich, um über »gute Regierungsführung« zu diskutieren, einen Polizeistaat ausgesucht.

Der Wahl des Ortes ist allerdings auch eine Referenz an Veränderungen in der Weltwirtschaft, die sich seit einigen Jahren abzuzeichnen beginnen. Südostasien, in dessen Herzen Singapur liegt, und angrenzende Staaten entwickeln sich mit Riesenschritten zu einem neuen Zentrum des internationalen Warenaustausches. Entsprechend hat man für die diesjährige Tagung einige Zugeständnisse an die Schwellenländer vorbereitet. Die Stimmenanteile der Volksrepublik China, der Türkei, Südkoreas und Mexikos im IWF-Gouverneursrat, den die Industriestaaten beherrschen, sollen angehoben werden. Die Zuwächse werden zwischen 90 Prozent und 170 Prozent liegen, jedoch die Dominanz des Westens nicht in Frage stellen. Der Vorschlag der IWF-Exekutive ist Teil eines Reformpakets, das in den nächsten zwei Jahren schrittweise beschlossen werden soll. In der Diskussion ist auch die Anhebung der Zahl der Basisstimmen, die jedes Mitglied unabhängig von den eingezahlten Einlagen hat. Das würde den ärmsten Ländern zugute kommen. Allerdings beschränkt sich der aktuelle Vorschlag darauf, ihre relative Position innerhalb des IWF konstant zu halten. Durch die Vergabe neuer Stimmrechte an Schwellenländer würden sie sonst vollends an die Wand gedrängt.

Die Diskussion im IWF ist unter anderem eine Reaktion auf asiatische Bestrebungen, sich von der Washingtoner Institution unabhängig zu machen. Die Länder der südostasiatischen Staatenallianz ASEAN bereiten gemeinsam mit einigen Nachbarn einen eigenen Mechanismus zur Stabilisierung der Wechselkurse in Krisenzeiten vor. Chinas Premierminister Wen Jiabao hatte erst man vergangenen Wochenende auf einer europäisch-asiatischen Gipfelkonferenz in Helsinki bekräftigt, daß seine Regierung an diesen Plänen festhält, auch wenn sie die Reform des IWF unterstützt. In Ost- und Südostasien ist die Erinnerung an das katastrophale Krisenmanagement des IWF noch immer sehr frisch, das der Fonds vor neun Jahren während der Finanzmarkt- und Börsenturbulenzen in der Region an den Tag legte. Seinerzeit waren verschiedene südostasiatische Währungen unter dem Druck heftiger Spekulationen zusammengebrochen. Vorausgegangen war dem eine weitgehende Liberalisierung der Finanzmärkte, zu der unter anderem der IWF geraten hatte. Als dann Staaten wie Südkorea oder Thailand, die zuvor einen defizitfreien Haushalt gehabt hatten, innerhalb weniger Woche zahlungsunfähig wurden, sprang der IWF zwar wie vorgesehen ein. Seine Kreditauflagen verschärften die Krise jedoch erheblich. Zum Wohle der ausländischen Gläubiger zwang man den Regierungen eine Finanzpolitik auf, die die Zinsen in astronomische Höhen trieb und die Wirtschaft strangulierte.

Unterdessen haben in vielen Ländern Globalisierungskritiker eine Aktionswoche gegen die Jahrestagung von IWF und Weltbank vorbereitet. In Deutschland beteiligt sich unter anderem ­ATTAC daran. Dort wirft man dem Fonds ein »marktfundamentalistische Wirtschaftspolitik« vor. Die Entwicklungsprojekte der Weltbank, ein Begriff, den man bei ATTAC nur in Anführungszeichen schreibt, seien ökologisch und sozial oft verheerend. Des weiteren werden die Streichung der Schulden der Entwicklungsländer und eine öffentliche Überprüfung der Kreditvergabe von Fonds und Weltbank gefordert.

Hintergrund: IWF und Weltbank

Aufgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) sind: Förderung der Zusammenarbeit in Währungsfragen, Förderung des internationalen Handels und des geregelten internationalen Zahlungsverkehrs sowie die Unterstützung von Mitgliedern, die in akute Zahlungsschwierigkeiten geraten sind.

Die Einlagen des IWF betragen derzeit insgesamt 317 Milliarden US-Dollar. Die Institution hat 184 Mitgliedsländer. Die zur Zeit laufenden Kredite in Höhe von 28 Milliarden US-Dollar wurden an 74 Staaten ausgezahlt.

Der Posten des IWF-Generaldirektors wird seit den 1940er Jahren traditionell mit einem Westeuropäer besetzt; derzeit hat ihn der Spanier Rodrigo de Rato inne. Die Weltbank wird hingegen ebenso traditionell von einem US-Amerikaner geleitet. Dort schwingt derzeit der Bush-Vertraute Paul Wolfowitz das Zepter.

Der IWF wird von einem Gouverneursrat geleitet, in dem alle Mitgliedsstaaten vertreten sind. Das Stimmrecht ist im wesentlichen nach der Höhe der jeweiligen Einlagen gewichtet. Mit 17,46 Prozent halten die USA die meisten Stimmenanteile. Japan und die BRD halten 6,26 bzw. 6,11, Frankreich und Großbritannien jeweils 5,05 Prozent.

Mitgliedschaft im IWF und in der Weltbank-Gruppe sind identisch. Letztere wird ebenfalls durch einen Gouverneursrat geleitet, der faktisch der gleiche ist wie der des IWF.

Die Weltbank-Gruppe besteht aus fünf Institutionen: Die IBRD (Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) ist die älteste von ihnen und wurde wie der IWF 1944 gegründet. Sie vergibt Kredite zu marktüblichen Konditionen. Zinslose Entwicklungskredite sind hingegen bei der IDA (Internationale Entwicklungsorganisation) zu erhalten. Die IFC (Internationale Finanz-Corporation) unterstützt die Privatwirtschaft in Entwicklungsländern, und die MIGA (Multilaterale Investi­tionsgarantie-Agentur) sichert ausländische Investoren gegen politische Risiken ab. Schließlich ist da noch das ICSID (Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten)