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Aus junge Welt vom 19.08.2006

Kampf ums Wasser

UNO warnt vor Versorgungsproblemen

Wolfgang Pomrehn

Die Bilder von leeren Stauseen in Spanien und die Nachrichten über Englands schwere Dürre liefern den Hintergrund für die diesjährige Weltwasserwoche, die am Sonntag in Stockholm beginnt. Der jüngste UN-Wasserbericht läßt keinen Zweifel daran, daß sich die schon heute für viele Menschen katastrophale Wasserversorgung weiter verschlechtern wird. Entsprechend erwartet der World Business Council for Sustainable Development, ein Zusammenschluß von 140 international tätigen Unternehmen, in einer diese Woche vorgestellten Studie soziale Unruhen in vielen Ländern.

Auch zwischenstaatlichen Konfliktstoff bietet das Wasser, vor allem zwischen den Anrainern grenzüberschreitender Flüsse. Beispiele sind dafür die israelischen Siedlungen im Westjordanland, die einen großen Teil des dort zur Verfügung stehenden Wassers für sich in Anspruch nehmen, oder Euphrat und Tigris, an deren Oberläufen die Türkei große Staudämme baut. Erst Anfang des Monats wurde im Südosten der Türkei der Grundstein für den Ilisu-Staudamm gelegt, mit dem der Tigris gestaut werden soll. Ankara hätte damit die Kontrolle über die Wassermengen, die Syrien und Irak künftig bekommen werden. Marode Infrastruktur Der Nahe Osten und insbesondere die Euphrat-Tigris-Region gehören denn auch zu den Themen der Stockholmer Weltwasserwoche. Veranstalter ist das Stockholm International Water Institute. Verschiedene Foren widmen sich entwicklungspolitischen Fragen, wobei marktwirtschaftliche Lösungsansätze dominieren. Wasser ist ein gutes Geschäft. Zu den Unterstützern der Konferenz gehören verschiedene Entwicklungsorganisationen und die für Entwicklungshilfe zuständigen Ministerien Deutschlands, Schwedens und einiger anderer Länder. Daneben fallen auf der Liste der Sponsoren verschiedene ausgewiesene Lobbyorganisationen der privaten Wasserwirtschaft auf, wie das in Marseille ansässige World Water Council oder das in Stockholm residierende Netzwerk Global Water Partnership.

Mit von der Partie ist auch die Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF), die diese Woche in einer Studie darauf aufmerksam machte, daß Wassermangel auch ein Problem vieler reicher Staaten ist. Vor allem Städte würden in den Industrie­ländern inzwischen an die Grenzen ihrer Ressourcen stoßen. Schuld hat neben dem gestiegenen Verbrauch und mangelnden Niederschlägen der schlechte Zustand der Infrastruktur. In London zum Beispiel, das nach zwei regenarmen Wintern genauso wie der Südosten Englands derzeit die schwerste Trockenheit seit 100 Jahren erlebt, geht durch Lecks in den Wasserleitungen ein Drittel des knappen Nasses verloren. Londons Bürgermeister Ken Livingstone streitet sich daher in diesen Tagen mit dem privaten Betreiber der Wasserwerke Thames Water, eine Tochter der deutschen RWE. Das Unternehmen möchte ein Meerwasser­entsalzungsanlage für 200 Millionen Britische Pfund bauen. Livingstone würde das Geld lieber in die Sanierung der Wasserleitungen investiert sehen. Mangel ist relativ Am Londoner Beispiel wird deutlich, wie relativ Wassermangel ist. Auch in den wasserärmsten Ländern gibt es pro Einwohner 500 bis 1000 Kubikmeter Wasser im Jahr. Das ist mehr als genug nicht nur für Trinkwasser, sondern auch für Körperhygiene und andere häusliche Bedürnisse. Die Frage der Wasserknappheit ist also mehr eine Frage der Prioritäten und der Verteilung. In vielen Ländern benötigt die Landwirtschaft erhebliche Mengen an Wasser. Für die Herstellung eines Kilogramms Reis müssen zum Beispiel etwa 2000 Liter Wasser zur Verfügung stehen. Je nach Land und Ernährung braucht ein Mensch etwa 1400 Kubikmeter Wasser im Jahr für seine Nahrungsmittel. Hinzu kommt der Wasserbedarf der Industrie.

Die Frage ist also, wie diese verschiedenen Interessen ausbalanciert werden, wenn nicht mehr genug Wasser vorhanden ist, um es für alle Zwecke nach Belieben zu entnehmen. Bei einer Regulierung über den Preis, wie sie in Stockholm die meisten Referenten fordern werden, könnten die ärmeren Bevölkerungsteile und auch größere Bereiche der Landwirtschaft schnell ins Hintertreffen geraten. Industrielle Abnehmer werden in der Regel mehr bezahlen können, da sie das Wasser im ökonomischen Sinne am produktivsten einsetzen.

Daten und Fakten: Trinkwasser bleibt ein rares Gut

Wasser ist der Ursprung allen irdischen Lebens. In den urzeitlichen Meeren sind einst die ersten Einzeller entstanden, und es hat weit über zwei Milliarden Jahre gedauert, bevor Tiere und Pflanzen die Kontinente eroberten. Unter den Planeten des Sonnensystems weist kein anderer so viel Wasser auf wie die Erde. Nur auf dem Mars deutet an verschiedenen Stellen die Beschaffenheit der Oberfläche darauf hin, daß es dort zu früheren Zeiten große Ströme und Ozeane gegeben haben könnte. Wenn dem so war, so hat sich das dortige Wasser längst mit dem größeren Teil einer etwaigen früheren Atmosphäre in den Weltraum verflüchtigt

Rund 72 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt, aber dennoch ist Trinkwasser ein rares Gut. Das Salzwasser der Meere ist für die meisten Landbewohner ungenießbar, und Süßwasser macht nur etwa 2,6 Prozent der Weltwasservorräte aus. Davon ist ein großer Teil unzugänglich, zum Beispiel in den mächtigen Gletschern der Antarktis oder Grönlands. Nur 0,3 Prozent des Wassers auf der Welt kommen daher als Trinkwasser in Frage.

Der diesjährige UN-Wasserbericht stellt fest, daß 1,1 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und 2,6 Milliarden nicht an die Abwasserentsorgung angeschlossen sind. Außerdem, so der Bericht, würden in vielen Teilen der Welt die Menge des zur Verfügung stehenden Wassers und dessen Qualität abnehmen.

In verschiedenen Deklarationen der Vereinten Nationen ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser zum Menschenrecht erklärt worden – eine Formulierung, die man in den Dokumenten der von Konzernlobbyisten dominierten »Weltwasser­foren« vergeblich sucht. Zu den Millenniumsentwicklungszielen, die sich die UNO im Jahre 2000 gesteckt hat, gehört auch, daß bis 2015 die Zahl derjenigen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, halbiert wird. (wop)