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Aus junge Welt vom 19.08.2006

Traumhafte Renditen locken

RWE drängt auf Privatisierung: Geschäft mit dem Wasser garantiert Rekordgewinne

Wolfgang Pomrehn

Trinkwasser ist knapp, aber jeder braucht es. Ideale Bedingungen also für ein gutes Geschäft. Bis vor wenigen Jahren war die Wasserwirtschaft in den meisten Ländern eine öffentliche Angelegenheit. Der Handel mit Wasser erschien den meisten Menschen so absurd, wie der Verkauf der Atemluft, doch diese Zeiten sind passé. Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) drängen im Auftrag der großen Konzerne auf die Privatisierung der Wasserversorgung. Rund 20 Milliarden US-Dollar wurden zwischen 1990 und 2002 von der Weltbank an Krediten für Wasserprojekte vergeben. Rund ein Drittel davon war mit der Auflage verbunden, die Wasserbetriebe zu privatisieren. Der IWF hingegen vergibt zwar keine Investitionskredite, sondern stellt Geld zur Verfügung, wenn Staaten in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Allerdings sind diese meist ebenfalls mit zahlreichen Auflagen verbunden, zu denen oft die Privatisierung öffentlicher Unternehmen gehört.

Auch in der Europäischen Union wird das Wasser längst vor allem als Ware verstanden, für die durch Deregulierung und Privatisierung ein Markt hergestellt werden müsse. Einigen Jüngern des freien Marktes in der EU-Kommission schwebt offensichtlich vor, den Wassermarkt nach dem Vorbild des Strommarktes zu organisieren. Dann könnte man in Berlin sein Leitungswasser auch von einem Anbieter in Leipzig oder Köln beziehen. Voraussetzung dafür wäre ein überregionales Wassernetz, in dem das kostbare Naß über weite Strecken transportiert wird. Ein solches System müßte unter anderem große Auffangbecken besitzen, in denen das Wasser zwischengelagert werden kann. Seine Qualität würde erheblich darunter leiden.

Aber Qualität der Versorgung war trotz anderslautender Propaganda noch nie ein Ziel der Privatisierer, wie man bei Telekom, Post oder Bahn täglich aufs neue erfahren kann. Dennoch schreitet der Verkauf der öffentlichen Versorgungsunternehmen voran. 1990 hatten weltweit nur zwölf Staaten eine private Wasserwirtschaft, im Jahre 2002 waren es bereits 56. Beispiele wie Argentinien oder Bolivien, wo den europäischen und US-amerikanischen Wasserkonzernen nach erfolgter Übernahme der Wind ins Gesicht bläst, sind bisher die große Ausnahme. Doch der Zug ist keineswegs schon abgefahren. Bisher sind weltweit erst fünf Prozent aller Wasserwerke privatisiert. Aber nach unterschiedlichen Schätzungen wären mit Trinkwasser zwischen 400 Milliarden und drei Billionen US-Dollar jährlich umzusetzen – wenn das lebenswichtige Gut umfassend zur Handelsware degradiert werden könnte. Das weckt Begehrlichkeiten. Die großen Profiteure der Entwicklung sind die deutsche RWE, und die beiden französischen Großkonzerne Vivendi und Suez. RWE erzielt rund 20 Prozent seines Gewinns im Wassergeschäft, obwohl dieses nur etwa vier Prozent seiner Umsätze ausmacht. Das gibt einen Eindruck davon, welch traumhafte Renditen mit einem der elementarsten Bedürfnisse der Menschen zu erzielen sind.

Alle drei Jahre veranstalten die Lobbyorganisationen der privaten Wasserkonzerne wie etwa der World Water Council gemeinsam mit Weltbank und IWF ein Weltwasserforum. Diese Zusammenkünfte – das letzte fand Mitte März mit fast 20000 Besuchern in Mexico City statt – geben sich gern einen offiziellen Anschein, so als würden sie für die internationale Staatengemeinschaft sprechen. Tatsächlich haben die Veranstaltungen jedoch keinerlei Legitimation der Vereinten Nationen. Ihr wesentlicher Inhalt ist das Werben für private Investitionen in den Wassersektor und deren Absegnung durch Entwicklungshilfeorganisationen. Entsprechend vernichtend fiel in Mexico-Stadt die Kritik eines Alternativforums lokaler Initiativen aus Nord- und Südamerika aus: »Wir lehnen alle Formen der Privatisierung, einschließlich der sogenannten öffentlich-privaten Partnerschaften ab, da sie überall auf der Welt ihr vollständiges Versagen demonstriert haben.« Wasser dürfe weder Bestandteil der WTO-Verhandlungen noch anderer Freihandelsabkommen werden, so die Privatisierungsgegner.