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25.10.2006 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Süd-Süd-Achse

Die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur tritt Handelspakt der Entwicklungsländer bei. Interne Handelsbeziehungen gewinnen an Bedeutung

Von Wolfgang Pomrehn

Seit zwei Jahren machen die Statistiker der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung UNTAD »eine gewisse Entkoppelung« der Entwicklungen in Nord und Süd aus: Die Volkswirtschaften vieler Entwicklungsländer wachsen deutlich schneller als jene des industrialisierten Nordens. Diese Entwicklung geht einher mit einer rasanten wirtschaftlichen Integration dieser Staaten, die über Jahrhunderte hinweg ökonomisch ganz auf den Austausch mit Europa und Nordamerika fixiert waren. Jetzt hat die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur (»Gemeinsame Markt des Südens«) einen weiteren Schritt unternommen, die wirtschaftlichen Bande mit anderen Entwicklungsländern enger zu knüpfen. Am 2. November wird Mercosur Vollmitglied des »Globalen Systems für Handelsbegünstigungen« GSTP. Mercosur-Mitglieder sind Argentinien, Paraguay, Uruguay und Brasilien, während Venezuela gerade das Aufnahmestadium durchläuft und bereits an den politischen Gremien beteiligt ist.

ASEAN macht Tempo

Der GSTP-Vertrag steht ausschließlich den in der »Gruppe der 77 und China« zusammengeschlossenen Entwicklungsländern offen. Ihm gehören derzeit 44 Mitglieder an. Das Abkommen war 1988 geschlossen worden und am 19. April 1989 in Kraft getreten. Bisher bot es lediglich einen lockeren Rahmen für gegenseitige Zollerleichterungen. Den ärmsten Mitgliedern werden dabei Vorzugsbedingungen eingeräumt. Daneben regelt der Vertrag verschiedene technische Details, die den Warenaustausch vereinfachen sollen. Unter anderem wurden einheitliche Standards und Definitionen für Herkunftszertifikate vereinbart. Seit 2004 wird über eine weitere Erleichterung des Warenaustauschs zwischen den GSTP-Mitgliedern verhandelt. Zu ihnen gehören unter anderem Kuba, Nord- und Südkorea, Marokko sowie Bangladesch und Myanmar (Burma). Der GSTP-Vertrag ist ein Ausdruck der sich rasch entwickelnden Wirtschaftsbeziehungen zwischen Entwicklungsländern. Ein anderer ist die wachsende regionale Integration. So haben sich inzwischen die Staaten Ost- und Südostasiens aus ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von den USA und Westeuropa gelöst. Noch vor wenigen Jahren war das Gros ihrer Handelsströme in den Norden gerichtet, während der Warenaustausch untereinander nur eine geringe Rolle spielte. Inzwischen sind die jeweiligen Nachbarn meist die wichtigsten Handelspartner.

Insbesondere die Volksrepublik China ist in den vergangenen Jahren zu einem schier unersättlichen Markt für die Exporteure Südostasiens geworden. Die zehn Mitglieder starke Allianz südostasiatischer Staaten ASEAN hat erst kürzlich das Datum vorverlegt, an dem die ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft, eine Wirtschaftszone nach dem Vorbild der EU, in Kraft treten soll. Bis 2015 soll die Integration abgeschlossen sein. Der ASEAN gehören Laos, Kambodscha, Vietnam, Thailand, Myanmar, Malaysia, Singapur, Brunei, Indonesien und die Philippinen an. Auch im Mercosur hat der interne Warenaustausch in den letzten Jahren wieder an Bedeutung gewonnen, nach- dem er zu Beginn des Jahrtausends aufgrund der argentinischen Krise fast bis zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft war.

Die jüngsten Außenwirtschaftsdaten Argentiniens zeigen, daß der gemeinsame Markt wieder wichtigste Quelle der Importe (36 Prozent) und zugleich größter Abnehmer der Exporte (21 Prozent) des Pampastaates ist. Mitte Oktober hatte zudem das Außenministerium Paraguays bekanntgegeben, daß das Land ab 2007 erstmals Zahlungen vom Mercosur erhalten werde. Ähnlich wie die EU hat das lateinamerikanische Staatenbündnis einen Fonds aufgelegt, der das Gefälle zwischen den stärkeren (Argentinien und Brasilien) und den schwächeren Ökonomien (Paraguay und Uruguay) etwas ausgleichen soll.

Hoffnung für Afrika

Die Zahlungen an Paraguay in Höhe von etwa 38 Millionen Euro jährlich sind vor allem für Infrastrukturprojekte gedacht. Ein weiterer Ausdruck der wirtschaftlichen Durchdringung ist die wachsende Bedeutung des Kapitalexports von Entwicklungsländern. Einige sind in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, im großen Maßstab im Ausland zu investieren, wie der jüngste Bericht der UNCTAD über ausländische Direktinvestitionen zeigt. Das Bemerkenswerte an dieser Entwicklung: Das geld wird zum überwiegenden Teil in anderen Entwicklungsländern eingesetzt. Für viele Länder Afrikas ist zum Beispiel Südafrika, das selbst zu den Entwicklungsländern zählt, inzwischen zur wichtigsten Quelle von ausländischem Kapital geworden. Die UNCTAD-Zahlen zeigen, daß zwischen 1990 und 2000 der Anteil von Unternehmen aus den Industriestaaten am produktiv investierten Kapitals in Entwicklungsländern und den sogenannten Übergangsländern Osteuropas, von 74 auf 44 Prozent zurückgegangen ist und sich seitdem auf etwa diesem Niveau bewegt. Mit anderen Worten, Konzerne aus Argentinien, Brasilien, China, Singapur, Südkorea, Südafrika und einigen anderen Staaten beginnen die Dominanz der nordamerikanischen, japanischen und westeuropäischen Multis zu untergraben.