Seit zwei Jahren machen die Statistiker der UN-Konferenz für
Handel und
Entwicklung UNTAD »eine gewisse Entkoppelung« der
Entwicklungen in Nord
und Süd aus: Die Volkswirtschaften vieler Entwicklungsländer
wachsen
deutlich schneller als jene des industrialisierten Nordens. Diese
Entwicklung geht einher mit einer rasanten wirtschaftlichen Integration
dieser Staaten, die über Jahrhunderte hinweg ökonomisch ganz
auf den
Austausch mit Europa und Nordamerika fixiert waren. Jetzt hat die
südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur
(»Gemeinsame Markt
des Südens«) einen weiteren Schritt unternommen, die
wirtschaftlichen
Bande mit anderen Entwicklungsländern enger zu knüpfen. Am 2.
November
wird Mercosur Vollmitglied des »Globalen Systems für
Handelsbegünstigungen« GSTP. Mercosur-Mitglieder sind
Argentinien,
Paraguay, Uruguay und Brasilien, während Venezuela gerade das
Aufnahmestadium durchläuft und bereits an den politischen Gremien
beteiligt ist.
ASEAN macht Tempo
Der GSTP-Vertrag steht ausschließlich den in der »Gruppe
der 77 und
China«
zusammengeschlossenen Entwicklungsländern offen. Ihm gehören
derzeit 44
Mitglieder an. Das Abkommen war 1988 geschlossen worden und am 19.
April 1989 in Kraft getreten. Bisher bot es lediglich einen lockeren
Rahmen für gegenseitige Zollerleichterungen. Den ärmsten
Mitgliedern
werden dabei Vorzugsbedingungen eingeräumt. Daneben regelt der
Vertrag
verschiedene technische Details, die den Warenaustausch vereinfachen
sollen. Unter anderem wurden einheitliche Standards und Definitionen
für Herkunftszertifikate vereinbart. Seit 2004 wird über eine
weitere
Erleichterung des Warenaustauschs zwischen den GSTP-Mitgliedern
verhandelt. Zu ihnen gehören unter anderem Kuba, Nord- und
Südkorea,
Marokko sowie Bangladesch und Myanmar (Burma). Der GSTP-Vertrag ist ein
Ausdruck der sich rasch entwickelnden Wirtschaftsbeziehungen zwischen
Entwicklungsländern. Ein anderer ist die wachsende regionale
Integration. So haben sich inzwischen die Staaten Ost- und
Südostasiens
aus ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von den USA und Westeuropa
gelöst. Noch vor wenigen Jahren war das Gros ihrer
Handelsströme in den
Norden gerichtet, während der Warenaustausch untereinander nur
eine
geringe Rolle spielte. Inzwischen sind die jeweiligen Nachbarn meist
die wichtigsten Handelspartner.
Insbesondere die Volksrepublik
China
ist in den vergangenen Jahren zu einem schier unersättlichen Markt
für
die Exporteure Südostasiens geworden. Die zehn Mitglieder starke
Allianz südostasiatischer Staaten ASEAN hat erst kürzlich das
Datum
vorverlegt, an dem die ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft, eine
Wirtschaftszone nach dem Vorbild der EU, in Kraft treten soll. Bis 2015
soll die Integration abgeschlossen sein. Der ASEAN gehören Laos,
Kambodscha, Vietnam, Thailand, Myanmar, Malaysia, Singapur, Brunei,
Indonesien und die Philippinen an. Auch im Mercosur hat der interne
Warenaustausch in den letzten Jahren wieder an Bedeutung gewonnen,
nach- dem er zu Beginn des Jahrtausends aufgrund der argentinischen
Krise fast bis zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft war.
Die
jüngsten Außenwirtschaftsdaten Argentiniens zeigen,
daß der gemeinsame
Markt wieder wichtigste Quelle der Importe (36 Prozent) und zugleich
größter Abnehmer der Exporte (21 Prozent) des Pampastaates
ist. Mitte
Oktober hatte zudem das Außenministerium Paraguays
bekanntgegeben, daß
das Land ab 2007 erstmals Zahlungen vom Mercosur erhalten werde.
Ähnlich wie die EU hat das lateinamerikanische Staatenbündnis
einen
Fonds aufgelegt, der das Gefälle zwischen den stärkeren
(Argentinien
und Brasilien) und den schwächeren Ökonomien (Paraguay und
Uruguay)
etwas ausgleichen soll.
Hoffnung für Afrika
Die Zahlungen an Paraguay in Höhe von etwa 38 Millionen Euro
jährlich
sind vor allem für Infrastrukturprojekte gedacht. Ein weiterer
Ausdruck
der wirtschaftlichen Durchdringung ist die wachsende Bedeutung des
Kapitalexports von Entwicklungsländern. Einige sind in den
vergangenen
Jahren dazu übergegangen, im großen Maßstab im Ausland
zu investieren,
wie der jüngste Bericht der UNCTAD über ausländische
Direktinvestitionen zeigt. Das Bemerkenswerte an dieser Entwicklung:
Das geld wird zum überwiegenden Teil in anderen
Entwicklungsländern
eingesetzt. Für viele Länder Afrikas ist zum Beispiel
Südafrika, das
selbst zu den Entwicklungsländern zählt, inzwischen zur
wichtigsten
Quelle von ausländischem Kapital geworden. Die UNCTAD-Zahlen
zeigen,
daß zwischen 1990 und 2000 der Anteil von Unternehmen aus den
Industriestaaten am produktiv investierten Kapitals in
Entwicklungsländern und den sogenannten Übergangsländern
Osteuropas,
von 74 auf 44 Prozent zurückgegangen ist und sich seitdem auf etwa
diesem Niveau bewegt. Mit anderen Worten, Konzerne aus Argentinien,
Brasilien,
China,
Singapur, Südkorea, Südafrika und einigen anderen Staaten
beginnen die
Dominanz der nordamerikanischen, japanischen und westeuropäischen
Multis zu untergraben.